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Berlin: Star hinterm Gartenzaun

Reinhard Meys Karriere begann in der geteilten Stadt. Ein berlinischer Sänger wurde der 60-Jährige nie

Einen, der 60 Jahre lang überwiegend in Berlin gelebt hat, stellen wir uns ein wenig anders vor, ruppiger, abgebrühter, mit Zilleschem Zungenschlag. Nichts davon bei Reinhard Mey: Der gute Mensch aus Frohnau ist der ruhige Einzelgänger geblieben, der er schon war, als seine Karriere in den legendären Berliner Folk-Clubs Fahrt aufnahm. Wenn er im „Steve Club“ oder im „Go In“ seine Gitarre packte und sang, dann unterschied sich das sehr von dem, was die Kollegen machten. Er lockte nicht das spontane Kichern hervor, das Jürgen von der Lippe schon nach wenigen Sekunden provozierte, lieferte nicht den grellen Klamauk der Insterburgs und nicht die satirischen Spitzen Ulrich Roskis, und er ließ sich längst nicht so von der Politik umtreiben wie Hannes Wader, der ewige Sozialist. Sein Erfolgsrezept lag darin, dass er etwas zu sagen hatte, mal leicht sentimental („Gute Nacht, Freunde“), mal mit beträchtlichem Wortwitz wie in seinem Clubhit von der „Diplomatenjagd“ oder der ironischen Sprachäquilibristik in der Handwerker-Hymne „Ich bin Klempner von Beruf“. Schlager im dumpfdeutschen Sinn waren das nie - das Ende der 60er Jahre aufkommende Kunstwort „Liedermacher" passte hingegen, als sei es für ihn erfunden worden.

Berlinisch war seine Musik nie, kein Wunder bei einem, der seine ersten Erfolge als „Frederic Mey“ in Frankreich feierte und nichts im Sinn hatte, als das Chanson nach Deutschland zu bringen. Ein Romantiker, aber kein politischer Sänger, jedenfalls kein 68er wie Degenhardt, Biermann und viele andere Sänger seiner Generation. Folglich wurde er häufig als Schnurrenerzähler abgetan und geriet vor allem in den 70er Jahren in manche Untiefe der Fernsehunterhaltung. Doch trotz des Starruhms gelang es ihm, sein Privatleben streng hinter dem Frohnauer Gartenzaun abzuschirmen; seine erste Ehe scheiterte 1976 weitgehend unbemerkt, und auch über seine zweite Frau Hella und die drei Kinder ist wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Es habe mal jemand eingebrochen in Frohnau, heißt es in der Biographie - mehr war da offenbar gar nicht los.

Der Eindruck, dass da jemand hohe moralische Ansprüche nicht nur vorsingt, sondern auch lebt, hat gewiss zu seiner Glaubwürdigkeit beigetragen. Zahllose Non-Profit-Organisationen profitieren von seiner Zuwendung, von der Mildred-Scheel-Stiftung bis hin zu den Tofu-Taliban der „Peta“, deren radikalen Tierschutzideen er sich wohl verbunden fühlt. Er ist ein bekennender Zeitungsleser und Leserbriefschreiber - aber es war gewiss kein Kalkül, dass er kürzlich ausgerechnet mit zornigen Worten über seine lauten Sylter Nachbarn („Gartennazis“) Schlagzeilen machte.

60 Jahre? Da hat sich jemand überraschend wenig verändert. Nicht im Timbre der Stimme, nicht in der Botschaft, nicht in der Stetigkeit der Arbeit. Sein gefühltes Alter liegt, sagen wir, zehn Jahre drunter. Und das lässt sich von all den alten Kumpels aus dem „Steve Club“ nicht behaupten.

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