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Abgeordnetenhaus: Stasi-Check für alle

In Berlin wird jeder Abgeordnete überprüft. Tauchen Verdachtsmomente auf, befasst sich damit ein Ehrenrat.

In Brandenburg gab es nur eine einzige Überprüfung der Landtagsabgeordneten auf frühere Spitzeltätigkeit für die Stasi. Das war 1991. In Berlin hingegen verordnet sich das Abgeordnetenhaus seit den frühen neunziger Jahren nach jeder Wahl einen Check aller Parlamentarier durch die Birthler-Behörde. Tauchen Verdachtsmomente auf, befasst sich damit ein Ehrenrat. „Dieses Berliner Modell hat sich bewährt“, sagte am Samstag Christian Gaebler, Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Dank des konsequenten Festhaltens an den Überprüfungen habe es während der rot-roten Koalition kein Enthüllungsdesaster wie jetzt in Potsdam gegeben. Eine Auffassung, die auch Kathi Seefeld von der Linken im Berliner Parlament vertritt.

Schon 1991 einigte sich das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der SPD/CDU-Regierung und der Opposition einschließlich der PDS auf regelmäßige Überprüfungen hinsichtlich einer Mitarbeit für die Staatssicherheit. Die Biografien einiger langjähriger Abgeordneter sind seither bereits vier- oder fünfmal unter die Lupe genommen worden. Weshalb dies als sinnvoll angesehen wird, steht im damaligen Parlamentsbeschluss: Der Erkenntnisstand der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes entwickle sich ständig weiter, heißt es. Nur eine aktuelle Überprüfung sei deshalb umfassend aussagekräftig.

Die Einwilligung zum Prüfverfahren wird von jedem Abgeordneten erwartet, ist aber nicht verbindlich. Im Falle einer Weigerung gerät er aber unter Rechtfertigungsdruck, weil seine ablehnende Haltung dann bekannt gegeben wird. Enthalten die Unterlagen aus dem Hause der Bundesbeauftragten Marianne Birthler belastende Hinweise, beschäftigt sich damit der Parlamentarische Ehrenrat des Abgeordnetenhauses. Diesem gehören neben dem Parlamentspräsidenten und dessen Vize die Vorsitzenden aller Fraktionen an. Sie können zweifelhafte Kandidaten befragen. Gewinnen sie den Eindruck, dass ein Abgeordneter nachweislich bespitzelt hat, fordern sie ihn in der Regel auf, sein Mandat niederzulegen. Da er jedoch vom Volk gewählt ist, kann er nicht gezwungen werden. Allerdings muss er damit rechnen, dass ihn seine Fraktion bei einer Verweigerung ausschließt. „Das Berliner Modell“, sagt Christian Gaebler von der SPD, „ist also eine gelungene Mischung von Freiwilligkeit, Transparenz und Erklärungsdruck.“

Seit seiner ersten Sitzung hatte der Ehrenrat oft mit Grenzfällen zu tun, auch SPD-Mitglieder gerieten in Verdacht. 1992 hörte er beispielsweise 13 Abgeordnete mehrerer Parteien an, über die belastendes Material vorlag. Einem fraktionslosen Parlamentarier und einem PDS-Mitglied empfahl das Gremium danach, ihre Mandate niederzulegen. Anfangs weigerten sie sich, gaben dann aber nach. Auch ein SPD-Mann trat zurück. Ein enttarnter PDSler, der sich querstellte, wurde von seiner Fraktion damals ausgeschlossen. Doch die Sozialisten, die die meisten Verdachtsfälle hatten, unterstützten andererseits auch zum Rücktritt aufgeforderte Fraktionsmitglieder, wie in den neunziger Jahren die heutige Bezirksbürgermeisterin von Marzahn, Dagmar Pohle.

Unterm Strich wurden alle Abgeordneten überprüft – mit einer Ausnahme: die derzeitige Familienpolitikerin der PDS, Margrit Barth. Sie verweigerte jede Überprüfung, Vorwürfe gibt es nicht. Seit 2005 landeten keine zweifelhaften Fälle mehr beim Ehrenrat. Christoph Stollowsky

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