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Berlin: Staudenbeete für die Seele

Am Tag der offenen Gärten laden Berliner und Brandenburger in ihr privates Blumenparadies.

Da! Ein Eindringling! Und zwar ein gefährlicher. Martina Breyers Stimme klingt leicht schrill, als sie seinen Namen ausspricht: „Ein Lilienkäfer!“ Jetzt geht es um Leben und Tod. Sie klaubt das knallrote Insekt vom Blatt einer Lilie, die noch keine Blüten trägt – und zerdrückt ihn zwischen den Fingern: „Sie sehen so schön aus, aber man muss sie totmachen, weil sie sonst die Lilien auffressen.“ Schließlich sind das Martina Breyers Lieblingsblumen. „Sie sind so majestätisch und haben tolle Farben.“ Die Farben ihrer Blumen inspirieren sie zu Kunstwerken aus Filz und Papier, die sie auf internationalen Kunstfestivals ausstellt.

Die 55-jährige Künstlerin steht im Garten vor ihrem Atelier, einem alten Stallgebäude am Ende des dritten Hinterhofs an der Ackerstraße 19 in Mitte. Um 120 verschiedene Stauden kümmert sie sich hier seit zwei Jahren. Am Sonnabend und Sonntag kann man sie und ihre Pflanzen und Filzkunstwerke von 10 bis 18 Uhr besuchen: Sie gehört zu 89 Gartenbesitzern in Berlin und Brandenburg, die sich an den „Offenen Gärten 2012“ beteiligen. Am Bolteweg 32 in Spandau findet man etwa einen Garten voller Schmetterlinge und Kräuter. An der Muskauer Straße 30 in Kreuzberg außer Blumen auch Farne und einen kleinen Teich. Oder am Ruwersteig 38-40 in Marzahn einen Obstgarten mit Kunstobjekten.

Martina Breyer hat sogar einen Superlativ zu bieten: „Meiner ist wohl der kleinste Garten im Programm“, sagt sie stolz. Und er ist ein echter Kontrast zu seiner steinernen Umgebung mit wenig Grün in Mitte: „Hier an der Ackerstraße gibt es ja kaum Bäume oder begrünte Balkone“, sagt Breyer. Gerade kommt eine Frau den Kopfsteinpflasterweg aus dem zweiten Hinterhof entlang, stellt sich als neue Nachbarin vor – und staunt: „Sie haben ja hier eine Oase.“ Breyer lädt sie gleich fürs Wochenende ein. Dann wird sie ihren Gästen Kaffee und selbstgebackenen Kuchen vorsetzen, in der kleinen Sitzecke im rot-weißen Beet. Die Beete ihres Gartens sind nach Farben und Monaten geordnet – von April bis Oktober. Wo welche Pflanze wächst, ist genau durchdacht. Im Junibeet blüht es gerade blau und gelb: Rittersporn, Glockenblumen und Brandkraut. Der Alant blüht noch nicht. Diese Pflanze hat sie in der Nähe der Müritz ausgegraben und nach Mitte gebracht: „Der wuchert so sehr, dass ich manchmal etwas davon wegstechen muss.“ Nicht das einzige Kraut, dem sie zu Leibe rückt, auch rosa Blumen müssen von Zeit zu Zeit dran glauben: „Ich mag die Farbe nicht und auch keine anderen Pastelltöne.“ Unglücklicherweise blüht die Hortensie im blau-gelben Junibeet plötzlich nicht mehr blau, sondern rosa. „Das liegt an der Erde. Ich habe sie zwar mit Alaunsalz gegossen, um das zu verhindern, aber das hat nicht funktioniert.“ Sie hat viel über Pflanzen gelesen und ebenso viel ausprobiert.

Dass der Hofgarten der Künstlerin etwas Besonderes ist, hat sich herumgesprochen: Im vergangenen Jahr sei er vom Verein „Grüne Liga“ ausgezeichnet worden, erzählt Breyer. Und ein Filmteam aus Japan habe eine halbstündige Doku über den Garten, die Künstlerin und ihre Kunst gedreht: „Da habe ich auf eine große Ausstellung in Japan gehofft“, sagt sie und lacht. Stattdessen sei nur eine Gruppe von 30 japanischen Textilkünstlerinnen in ihrem Garten und Atelier aufgetaucht. So ein besonders schöner Garten bringt eben viel Besuch in den abgelegenen Hinterhof – auch am übernächsten Wochenende: Am 16. und 17. Juni, beim „Langen Tag der Stadtnatur“ kann man sich Breyers kleine Oase auch ansehen. „Die Liebe zu Pflanzen ist einfach so gekommen“, sagt sie. „Jetzt könnte ich mir nicht mehr vorstellen, ohne sie zu leben: Ein Garten ist gut für die Seele.“

Offene Gärten 2012: Eintritt 2 Euro (Ticket gilt dann auch für den zweiten Termin am 29./30. September), Programmheft und Vorverkaufstellen unter www.open-garden.de. Langer Tag der Stadtnatur: 16. Juni, 16 Uhr – 17. Juni, 18 Uhr, 26-Stunden-Erwachsenenticket 7 Euro, Programm unter www.langertagderstadtnatur.de.

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