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Arbeitskampf: Streik in Schulen, Kitas und Behörden

Die Gewerkschaften verschärfen den Arbeitskampf im öffentlichen Dienst. Eine Woche lang sollen Kitas, Schulen und Behörden lahmgelegt werden. Viele Eltern müssen deshalb Urlaub nehmen. Am Montag wollen Tausende Beschäftigte vor der SPD-Parteizentrale demonstrieren.

Eltern ohne Resturlaub stehen diese Woche dumm da: Angesichts der Ausweitung des Streiks im öffentlichen Dienst ist zurzeit unklar, wie die Betreuung der Kita- und Hortkinder abgesichert werden kann. In einigen Bezirken zeichnet sich ab, dass Notdienste nicht überall die regulären Öffnungszeiten abdecken können. Die Lage in den Schulen wird noch dadurch verschärft, dass auch angestellte Lehrer am Streik teilnehmen. Insgesamt sind rund 50 000 Bedienstete im öffentlichen Dienst zu Arbeitsniederlegungen bis einschließlich Montag kommender Woche aufgerufen. Somit sind auch Servicestellen wie Standes-, Ordnungs- und Bürgerämter sowie Kfz-Zulassungsstellen betroffen.

Aufatmen können zurzeit nur die Eltern, die ihre Kinder bei freien Trägern untergebracht haben: Gestreikt wird nur von öffentlich Bediensteten. Allerdings gibt es auch hier große Unterschiede: Einige Einrichtungen der Kita-Eigenbetriebe haben angekündigt, mit Rücksicht auf Eltern und Kinder nicht zu streiken. Sie müssen allerdings damit rechnen, dass ihnen Streikposten vor die Tür gestellt werden, denn Verdi hat seine Mitglieder aufgefordert, nicht streikende Kollegen ein wenig in die Zange zu nehmen.

Verdi-Verhandlungsführerin Astrid Westhoff verteidigt dieses Vorgehen: „Es ist doch normal, wenn man den anderen fragt, warum er nicht mitstreikt“, begründet sie die Streikposten. Auch die Personalratsvorsitzende der Kita-Eigenbetriebe Nordwest, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, verteidigt den Streik. Den Einwand, dass man den Kindern nicht das längst geplante Laternenfest am Dienstag verderben dürfe, lässt die Personalratsvorsitzende nicht gelten: „Ich würde das ausfallen lassen“, stellt sie klar. Im Übrigen gebe es nun einmal „keinen Streik, bei dem man keinem wehtut“. Die Gewerkschaften erhoffen sich von der Ausweitung des Arbeitskampfes auf Kitas und Schulen, dass sich der öffentliche Druck auf den Senat erhöht.

Diese Rechnung könnte zum Teil aufgehen, da auch viele Eltern der Ansicht sind, dass Erzieher und Lehrer zu wenig Geld verdienen. So haben Eltern der Grundschule auf dem Tempelhofer Feld angekündigt, den Streik mit eigenen Aktionen zu unterstützen, weil die angestellten Lehrer besser bezahlt werden müssten. Andernfalls wanderten sie weiter in andere Bundesländer ab.

Auch Schüler solidarisieren sich teilweise mit den Junglehrern. Die Schüler des Französischen Gymnasiums etwa sammelten Unterschriften „für die angestellten jungen Lehrer Berlins“.

Was ihnen von den Streikbefürwortern in den Schulen offenbar nicht erläutert wurde: Durch einen erfolgreichen Streik würde sich für die Lehrer nicht besonders viel ändern: Selbst wenn sie die geforderten 2,9 Prozent mehr Lohn erhielten, blieben sie noch rund 500 Euro netto unter dem durchschnittlichen Monatseinkommen verbeamteter Lehrer in anderen Bundesländern. Daran ändert sich auch in absehbarer Zukunft nichts, denn die Lehrergewerkschaft GEW hat erst im April 2008 mit dem Senat einen Tarifvertrag für Lehrkräfte abgeschlossenen, der das vergleichsweise schlechte Lohnniveau der Lehrer zementiert. Dennoch hatte die GEW damals geäußert, sie sei „zufrieden“ mit dem Vertrag.

Die rund 5000 angestellten Lehrkräfte in Berlin konzentrieren sich auf die Berufsschulen und auf die Europaschulen, in denen viele Seiteneinsteiger oder Muttersprachler mit Abschlüssen aus anderen Staaten arbeiten. Hier wird es zu massiven Unterrichtsausfällen kommen. Am schwierigsten dürfte die Lage an der Kreuzberger Aziz-Nesin-Europaschule sein: Hier wird damit gerechnet, dass 15 von 30 Lehrern und 13 von 17 Erziehern streiken.

Rektorin Demet Siemund geht davon aus, dass die Betreuung nur bis 14 statt 18 Uhr organisiert werden kann. Statt regulärem Unterricht wird es hier nur Lernmaterial für die Schüler geben. Im Übrigen hat sie beobachtet, dass die Eltern bei dem viertägigen Streik vor den Ferien noch „solidarischer“ waren. Inzwischen würden sie ungeduldig, weil die Zeugnisse näher rückten.

Mit aufgebrachten Bürgern rechnen auch die Bezirksämter. Egal, ob man ein Aufgebot bestellen, die Scheidung einreichen, einen Ausweis beantragen oder ein Auto anmelden will: Alles wird voraussichtlich mit längeren Wartezeiten verbunden sein. Zudem sind die Grünflächenämter, die Werkstätten der Polizei, die Feuerwehr und alle Bezirksverwaltungen vom Streik betroffen.

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