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Für Künstlerinnen und Künstler in Berlin wird es immer schwieriger, ein Atelier zu finden.

© Mike Wolff

Streit um Atelierbeschaffung: Künstlerverband kritisiert Berliner "Kulturraumbüro"

Berlins Senat will mit einer Immobiliengesellschaft zusammenarbeiten, um Ateliers zu schaffen. Doch so werde der Kunstbetrieb kontrolliert, sagt der Verband.

Das Atelier ist auch ein Raum für die Selbstinszenierung der Künstlerinnen und Künstler, sagt Stephanie Kloss, Bildende Künstlerin. Also mehr als nur Produktion von Kunstwerken: Hier werden Arbeiten präsentiert und mögliche Käufer empfangen. In Berlin verlieren immer mehr Künstler ihre Ateliers oder müssen um diese bangen. Der Berufsverband bildender Künstler in Berlin (bbk) spricht von einem Ateliernotstand. Ob die Stadt überhaupt noch eine Weltmetropole für Kunst sei, stehe mittlerweile infrage.

Kloss ist auch Mitglied im vom Kultursenator Klaus Lederer (Linke) berufenen Beirat für die Vergabe von Ateliers. Doch zwischen der Kulturverwaltung und dem bbk hat sich ein Konflikt aufgebaut. Lederer möchte 2020 ein sogenanntes "Arbeitsraumprogramm 2.0 - Kulturraumbüro" erschaffen. Doch ein erster Entwurf zur Aufgabenverteilung macht den Geschäftsführer vom Kulturwerk des bbk, Bernhard Kotowski, regelrecht wütend. „Zurzeit funktioniert so gut wie nichts. Und mit dem Kulturraumbüro könnte es noch viel schlimmer werden.“

Eines der Hauptprobleme: Dem bbk sollen die Kompetenzen beschnitten werden. Er stellt mit Martin Schwegmann den Atelierbeauftragten der Stadt Berlin. Dieser müsse ein von der Politik unabhängiger Kollaborateur sein, sagt Schwegmann selbst über seinen Job. Doch die Senatsverwaltung wolle mit dem Kulturraumbüro den Kunstbetrieb kontrollieren. Auch Kotowski meint, die Stadt wolle Kunstpolitik machen und entscheiden, was förderungswürdig ist.

Die Position des Atelierbeauftragten solle marginalisiert werden: Er dürfe, laut Entwurf, nicht mal mehr mit einem Bezirksbürgermeister telefonieren, weder die Politik beraten, noch Ateliersförderungskonzepte entwickeln. An seine Stelle würden „weisungsbedingte Mitarbeiter aus einer landeseigenen GmbH“ treten. Denn das neue Büro soll mit der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) zusammenarbeiten.

Senat kritisiert Atelierbeauftragten

Die Senatsverwaltung für Kultur gab auf Nachfrage an, dass der Atelierbeauftragte nicht ausgeschlossen werden solle. Jedoch äußerte sie Kritik an seiner Arbeit: „Wir sehen nur, dass die bewährten Strukturen dem Raumdruck nicht standhalten.“ Man habe den Auftrag, bis 2021 mindestens 2000 Arbeitsräume zusätzlich anbieten zu können – und davon 50 Prozent in Landesliegenschaften. Dies wird ohnehin schwer zu erfüllen sein – und der Druck wächst. „Wir müssen überprüfen, ob die derzeitigen Strukturen hinreichend effizient sind“, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Kultur. Man wolle dem bbk „Effizienz an die Seite stellen“.

Gesteigerter Bedarf an Ateliers

Der bbk wiederum kritisiert, die Senatsverwaltung wolle bei der Vergabe von Ateliers auf der Basis von „besonderer individueller Qualität“ entscheiden. Die Kriterien des bbk hingegen seien neben Professionalität auch Dringlichkeit und eine gewisse Einkommensgrenze. Kotowski möchte jedoch nicht, dass die Ateliervergabe zur Exzellenzförderung wird. Die Senatsverwaltung ist der Ansicht, den gesteigerten Bedarf an Ateliers und Atelierwohnungen über landeseigene Immobilien lösen zu können. Die Pläne für das Kulturraumbüro müssen erst noch vom Haushalt beschlossen werden – daher konnte die Senatsverwaltung zu den Kosten noch nichts sagen. Rund eine halbe Millionen Euro schätzen Experten.

Martin Schwegmann, der Atelierbeauftragten der Stadt Berlin.
Martin Schwegmann, der Atelierbeauftragten der Stadt Berlin.

© Robert Klages

Auch die „Allianz (bedrohter) Berliner Atelierhäuser“, kurz „AbBA“ genannt, lehnt das Kulturraumbüro ab. Die Allianz setzt sich für die Beteiligung von freien und selbstverwalteten Künstlergruppen bei Erhalt und Neubeschaffung von Ateliers ein. Das neue Konzept des Senats hingegen entmündige freie Gruppen – stattdessen werde versucht, ein Entscheidungssystem in hierarchischen Strukturen aufzubauen.

„Wir können nicht erkennen, wie die BIM den spezifischen Bedürfnissen von Künstlerinnen und Künstlern in Berlin gerecht werden soll“, heißt es in einem Schreiben an die Senatsverwaltung. Kritik an dem Kulturraumbüro kommt auch von der „Koalition der Freien Szene Berlin“. Man sehe die Gefahr, dass sich die Kulturverwaltung von der Freien Szene abschottet.

Raumbüro als Beschleuniger

Die Senatsverwaltung sagte auf Nachfrage, keinesfalls ohne oder gegen die Kunstszene arbeiten zu wollen. Das Raumbüro sei als Instrument zur Beschleunigung des derzeit laufenden Atelierprogramms zu verstehen – man wolle deutlich mehr Raum für Künstler schaffen. Derzeit scheinen Kulturverwaltung und bbk kaum miteinander zu sprechen. Auf einer Pressekonferenz des bbk am Dienstag war kein Senatsvertreter eingeladen. "Aber die sind bei uns im Verteiler", meinte Kotowski. Vielleicht sei ja ein Spion aus dem Senat anwesend, wurde bei der Konferenz gewitzelt.

Noch-Atelierbeauftragter Schwegmann sagte jedoch, man würde auch weiterhin gerne mit dem Senat zusammenarbeiten. Konflikte sollten keinesfalls auf Kosten der Ateliersuchenden ausgetragen werden.

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