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Auf dem Gebäude der Humboldt-Universität stehen seit Jahrzehnten die sogenannten Attika-Figuren.

© Kitty Kleist-Heinrich

Streit um Attika-Skulpturen in Berlin: „Die Figuren stehen bei uns sehr gut“

Der Streit um die Figuren auf dem Dach der HU geht weiter. Hochschul-Präsidentin Sabine Kunst sagt im Interview: "Sie sind ja durchaus begründet nach Berlin gekommen."

Potsdam fordert acht Attika-Figuren zurück, die inzwischen das Empfangsgebäude der Berliner Humboldt-Universität zieren. Sie sollen stattdessen auf das als Landtag aufgebaute Stadtschloss in Potsdam zurückkehren, auf dem sie bis zur Sprengung des historischen Vorgängerbaus standen. Im Tagesspiegel-Interview wundert sich HU-Präsidentin Sabine Kunst, die bis zur ihrem Wechsel nach Berlin im Mai 2016 selbst in Brandenburg fünf Jahre für Denkmalschutz zuständige Wissenschafts- und Kulturministerin war, über Schieflagen dieser Auseinandersetzung.

Frau Kunst, warum rücken Sie die Figuren nicht einfach heraus?

Die Figuren stehen seit über 50 Jahren auf der Humboldt-Universität. Und sie sind ja damals durchaus begründet nach Berlin gekommen.

Sabine Kunst, Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität (HU).
Sabine Kunst, Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität (HU).

© Soeren Stache/dpa

Was meinen Sie damit?

Die Figuren sind unter besonderer Aktivität des DDR-Instituts für Denkmalpflege sehr sichtbar auf der Humboldt-Uni aufgestellt worden, nachdem der Abriss des Potsdamer Stadtschlosses nicht verhindert werden konnte. Für die Humboldt- Universität ist das eine sichtbare Schicht der Nachkriegszeit, auch ein Zeichen für Widerständigkeit im damaligen System. Es ist damit ein weiterer Bruch in der an Brüchen reichen Geschichte der Humboldt-Universität selbst. Bauhistorisch stammen die Skulpturen zudem genau aus jenen Jahrzehnten, nämlich um 1750, in denen auch die Ursprungsstatuen für das Palais des Prinzen Heinrich entstanden sind.

Das als Landtag wiederaufgebaute Potsdamer Stadtschloss, von Knobelsdorff entworfen, zierten einst 76 Attika-Figuren. Aber alles dreht sich um die acht, die sich im Berliner Exil befinden. Können Sie das nachvollziehen?

Das verstehe ich überhaupt nicht. Es hat ja dazu auch eine sehr emotionale Diskussion in der vorigen Woche gegeben. Dort ist ja wieder der Anspruch formuliert worden, Originale an ihren eigentlichen Ursprungsstandort zurückzuholen, weil sie dorthin gehören würden.

Was ist daran falsch?

Die Absolutheit. Wenn man nur die Spoliengeschichte ...

... die Wiederverwendung von aus anderen Bauten stammenden Teilen ...

... in der Entwicklung von Denkmalen sieht, dann ist es völlig normal, dass man Dinge der Zeiten woanders verbaut, in einen anderen Kontext gestellt hat. Insofern ist das Argument genauso brüchig wie jedes andere auch.

Für Sie ist eine Rückgabe der Attika-Figuren nach Potsdam also nicht verhandelbar?

Ich formuliere es mal so: Wenn das Seelenheil des Landes Brandenburg von der Rückgabe abhängen sollte, dann ist sicherlich auch die Humboldt-Universität zu Gesprächen über die Figuren bereit. Es stehen ja auch andere Kopien auf Uni-Gebäuden. Wir müssen ja als Leihnehmer darauf achten, wie wir diese wunderbaren Statuen die nächsten Jahrzehnte erhalten. Das ist eine Verpflichtung, die die Humboldt-Universität einhalten muss. Und das wird sie auch. Am Ende des Tages wird man sich sicher auch einigen können.

Wovon machen Sie das abhängig?

Auch im Rückgriff auf meine frühere Tätigkeit sehe ich es so: In dem Fall spricht überhaupt nichts dagegen, erst einmal die Attika-Figuren für das Potsdamer Stadtschloss zu nehmen, die man in Brandenburg schon hat. Man kann sofort auf etwa dreißig Statuen zurückgreifen, die in Potsdamer Depots der Schlösserstiftung eingelagert sind und dringend eines Wachküssens bedürfen. Wenn all das erledigt ist, und es dann immer noch ein dringliches Bedürfnis Brandenburgs gibt, dann sollten wir neu in ein Gespräch eintreten. Bis dahin stehen die Figuren bei uns sehr gut. Sie zerbröseln nicht und sie purzeln auch nicht runter.

Sabine Kunst, 61, ist seit Mai Präsidentin der Humboldt-Universität. Vorher war sie Kulturministerin in Brandenburgs Regierung und Präsidentin der Potsdamer Uni.

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