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Nach der Hausdurchsuchung in der Rigaer Straße 94 kam es Anfang Juli zu Protesten der linken Szene.

© Jörg Carstensen/dpa

Streit um linkes Hausprojekt Rigaer 94: „Der linksmilitante Kern ist relativ isoliert“

Fragwürdige Polizeieinsätze, fragwürdige politische Allianzen – der Linken-Innenexperte Niklas Schrader über die Durchsuchung im Hausprojekt in Friedrichshain.

Niklas Schrader ist Sprecher für Innenpolitik der Linken-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Herr Schrader, Mitte Juli durchsuchte die Polizei Wohnungen im teilbesetzten Hausprojekt in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain. Wie bewerten Sie den Einsatz?
Da gibt es für mich eine Reihe von offenen Fragen. Ich habe mich schon etwas gewundert, warum dort im Schlepptau einer gerichtlich angeordneten Durchsuchung Vertreter der Hausverwaltung mit in das Gebäude kommen. Und das, obwohl sogar gerichtlich festgestellt wurde, dass es keine geklärte Eigentümerschaft an diesem Haus gibt. Also kann es natürlich auch keine legitimierte Hausverwaltung geben. Darüber hat sich die Polizei offenbar hinweg gesetzt und ich würde gerne klären, warum das so passiert ist.

CDU, FDP und AfD haben kürzlich eine Sondersitzung des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus beantragt. Am 5. August soll sich dieser unter anderem mit den Angriffen auf den – mutmaßlichen – Hausverwalter der Rigaer Straße 94 beschäftigen. Sie haben diesen Antrag öffentlich kritisiert. Warum?
Ich kritisiere vor allem, dass jegliche Abgrenzung, die beispielsweise Herr Dregger von der CDU oder Herr Czaja von der FDP immer zur AfD geäußert haben, im Grunde unglaubwürdig sind, weil sie jetzt mit der AfD gemeinsame Sache machen, um ihr populistisches Süppchen zu kochen. Auf dieser angeblichen Geschichte von der Polizei, die keine Straftaten verfolgen darf in der Rigaer Straße. CDU und FDP haben mehrmals gesagt, dass es keine parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD geben soll. Jetzt kommt das wieder vor. Da frage ich mich dann schon, was solche Worte noch wert sind. Das macht mir schon Sorgen um den demokratischen Konsens.

Niklas Schrader kritisiert CDU und FDP dafür, dass sie mit der AfD im Abgeordnetenhaus zusammenarbeiten.
Niklas Schrader kritisiert CDU und FDP dafür, dass sie mit der AfD im Abgeordnetenhaus zusammenarbeiten.

© imago/joko

Wie bewerten Sie die beantragte Sondersitzung inhaltlich?
Natürlich kann die Opposition immer eine Sondersitzung anmelden, das ist ein Minderheitenrecht. Jetzt haben wir die spezielle Situation der Sommerpause. Wenn keine Sommerpause wäre, kann so etwas auf Antrag im Ausschuss beraten werden. Ich finde, dass die Opposition diese nicht wahre Geschichte der Polizei, die angeblich keine Straftaten dort verfolgen darf, instrumentalisiert – weil es eine entsprechende Anweisung nicht gibt. Es gibt spezielle Regelungen innerhalb der Polizei, die insbesondere der Eigensicherung dienen. Denn natürlich gibt es in der Rigaer Straße eine besondere Lage. Da ist es völlig selbstverständlich, dass die Polizei sich da entsprechend organisiert. Aber dass dort keine Strafverfolgung stattfinden darf, ist eine Falschbehauptung.

Natürlich darf sie das. Natürlich muss man aber auch, wenn dort eine Straftat passiert ist, jemanden möglichst rechtssicher festnehmen. Man kann nicht einfach das ganze Haus durchsuchen. Es wird immer die Floskel bemüht, dass in der Rigaer Straße kein rechtsfreier Raum bestehen darf. Aber das muss natürlich auch für den Staat gelten.

Aktivisten sehen einen Zusammenhang zwischen der Durchsuchung und angekündigten Räumungen linker Projekte in den kommenden Wochen. Wie sehen Sie das?
Das ist von außen schwer zu beurteilen, wenn man die konkreten Ermittlungen nicht kennt. Da haben wir als Abgeordnete auch keinen Einblick, welche Straftaten gerade verfolgt werden, die angeblich aus diesem Haus kommen.

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Da gibt es den Schutzmechanismus einer gerichtlichen Anordnung, die das prüft – bei der ein Gericht aber auch präzise wissen muss, wo genau durchsucht werden soll. Einfach das ganze Haus zu durchsuchen geht nicht, weil da auch ganz normale Mieter mit Mietverträgen drin wohnen. Viele haben mit Kriminalität nichts zu tun. Die kann man nicht einfach in Mithaftung nehmen.

Mehrere linke Häuser und Treffpunkte sind akut räumungsbedroht, kommende Woche soll etwa die Kiezkneipe „Syndikat“ in Neukölln geräumt werden. Wie ist gerade die Stimmung in der linken Szene?
Ich habe das Gefühl, dass da gerade die Sorge groß und auch berechtigt ist, dass bestimmte Freiräume, in denen linksalternatives Leben stattfindet, nach und nach verloren gehen. Das muss man aber trennen von einem kleinen, aber militanten Kern der linken Szene, für den die allgemeine Lage im Grunde nicht so wichtig ist. Mein Eindruck ist, dass dieser linksmilitante Kern – den es sehr wohl auch in der Rigaer Straße gibt – auch in der linken Szene relativ isoliert ist. Zu den Protesten etwa an diesem Wochenende ruft hingegen ein sehr breites Bündnis auf.

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