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Kittelschürzenschick.

© ddp

Berlin: Subversiv und sommersprossig

Ab Donnerstag läuft im Tipi am Kanzleramt wieder das Musical „Cabaret“ Prominenter Neuzugang ist Maren Kroymann als Fräulein Schneider

„Das Berlinern ist entzückend“, sagt der Mann am Klavier, „das musst du weiter machen.“ Ja?, fragt die Frau erfreut und zögert zugleich ein wenig, das Kompliment anzunehmen. Sie ist keine, die sich einfach so loben lässt. Maren Kroymann ist zu klug dafür. Schon diese kleine Szene macht es beim Probenbesuch von „Cabaret“ leicht, zu glauben, dass es sich mit dieser Frau gut arbeiten lässt. Konzentriert steht sie auf der Bühne, der Körper feingliedrig, die Stimme tastend, das Wesen verbindlich, aber diskret.

Sie und Pianist Adam Benzwi, der musikalische Leiter des Musicals, das ab Donnerstag wieder im Tipi am Kanzleramt zu sehen ist, proben seit Wochen die vier Lieder und Duette, die diesmal der prominente Neuzugang Kroymann in der 2004 in der Bar jeder Vernunft uraufgeführten Berliner Version von „Cabaret“ singt.

150 000 Leute haben das immer wieder aufgenommene Musical inzwischen gesehen, Anna Loos, Katharine Mehrling oder Sophie Berner die Hauptfigur Sally Bowles gespielt und Eva-Maria Hagen und Angela Winkler mitgesungen. Die beiden Letzteren als Vorgängerinnen von Maren Kroymann in der Rolle der Pensionswirtin Fräulein Schneider, die sich auf ihre ältlichen Tage in einen jüdischen Obsthändler verliebt, was in einem Berlin, das gerade auf direktem Weg von den goldenen Zwanzigern zur Nazizeit ist, nicht gut ausgeht.

In der berühmten Bob-Fosse-Verfilmung des Broadway-Musicals mit Liza Minnelli käme die ja gar nicht vor, erzählt Kroymann nach der Probe. Nur als stumme Komparsenrolle, die Helen Vita gespielt habe. Die Bühnenfassung sei sowieso ganz anders als der Film. Näher dran an den politischen Konflikten und Themen wie Mitläufertum, Bisexualität, umkippende Liberalität, findet sie. Kurz – „mehr Berlin als Hollywood“.

Ihr Fräulein Schneider ist sehr preußisch, pragmatisch und bestimmt. „Apodiktisch sein ist überhaupt eine Berliner Eigenschaft.“ Kroymann muss es wissen. Sie ist zwar in Tübingen aufgewachsen, lebt aber seit „dem Wintersemester 1971“ in Berlin und ist nach vielen Umzügen durch alle Bezirke in Charlottenburg angekommen.

Der inzwischen fast zur Folklore mutierte Mythos des wilden Berlin der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre geht ihr kein bisschen auf den Keks. „Ich finde das total okay, auf die Tradition kann man auch ein bisschen stolz sein.“

Und das Berlin im einzigartig politischen Musicalstoff von „Cabaret“ hat durchaus einiges mit dem heutigen Berlin zu tun, meint Maren Kroymann: die gärende Atmosphäre, der Schwulenkiez am Nollendorfplatz, die bunte Mischung aus Arm und Reich. Sie liebe Berlin, sagt sie und fragt, besorgt ob so wenig intellektueller Distanzlosigkeit: „Aber das wollen Sie gar nicht hören, wie?“

Die Kroymann ist Kabarettistin und Sängerin, hat aber gerade als Schauspielerin in letzter Zeit viel zu tun. Auch im Fernsehen. Auf eine verzweifelte Art ist das Fräulein Schneider in „Cabaret“ eine ebenso komische Alte wie die gierige Gynäkologin, die Kroymann gerade in Doris Dörries Menopausen-Satirical „Klimawechsel“ spielte. Ein unglücklicher Begriff, findet Kroymann, als müsse eine Frau erst alt sein, um komisch sein zu dürfen. Das seien tolle, vielschichtige Rollen, und sie habe keine Furcht davor, sie anzunehmen. „Man muss das ganz bewusst entscheiden und bereit sein, über sich lachen zu lassen.“

Ihr spätes Debüt als Musicaldarstellerin ist „Cabaret“ allerdings nicht. Vor 40 Jahren hat sie schon mal eins in Tübingen gespielt, danach war mit Musiktheater allerdings Sendepause. Warum? Sie sei nicht wirklich ein Musicalfan, sagt Kroymann, und es habe sie auch keiner gefragt. Erst jetzt, mit 60.

Ihre Lieblingsnummer in „Cabaret“ ist übrigens keine ihrer eigenen, sondern „Money makes the World go around“ – „ein intelligenter Song, der subversiv den Kapitalismus geißelt“. Die Tatsache, dass es weltweit schon zahllose Fräulein Schneiders gab, schockt Neuzugang Kroymann übrigens nicht. „Es ist eine Qualität, etwas zu machen, was alle anderen kennen – das finde ich gut von mir.“ Sie lächelt sommersprossig und greift zum Glas. Stilles Wasser, was sonst. Gunda Bartels

Tipi am Kanzleramt, 15. Juli bis 29. August, ab 40,50 Euro

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