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Berlin: Tag des offenen Denkmals: Werbung an die große Glocke gehängt

Bekannt wurde Pfarrerin Sylvia von Kekulé vor allem durch Claudia Schiffer. Genauer gesagt, durch das Riesenposter mit dem Antlitz des Models, das im vorigen Jahr wochenlang am Glockenturm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hing.

Bekannt wurde Pfarrerin Sylvia von Kekulé vor allem durch Claudia Schiffer. Genauer gesagt, durch das Riesenposter mit dem Antlitz des Models, das im vorigen Jahr wochenlang am Glockenturm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hing. Mit Einnahmen aus diesem und anderen Werbeplakaten konnte die Gemeinde die Sanierung des neueren Glockenturms aus den 60er Jahren bezahlen. Die bis dahin einzigartige Reklame trug der Pfarrerin auch Kritik ein - doch nun erhält sie dafür eine Auszeichnung. Am Sonntag verleiht die Stiftung Denkmalschutz Berlin der Seelsorgerin einen mit 5000 Mark dotierten Preis für ihr "unermüdliches Engagement" und den Mut zur "ungewöhnlichen" Geldbeschaffung.

Engagiert ist die Pfarrerin aber auch in politischen Fragen, wenn es um Ethik und Moral geht. Dabei beschränkt sie sich nicht auf ihre Predigten. Zeitungen bitten oft um Stellungnahmen, Fernsehsender laden sie zu Diskussionen ein. Zuletzt kritisierte Sylvia von Kekulé den Wettbewerb in einer Diskothek, bei dem junge Leute in einen Käfig gesperrt wurden. Auch für die Interessen ihrer Gemeinde kämpft die Pfarrerin nicht nur von der Kanzel aus. Gegen die zwei geplanten 118-Meter-Hochhäuser neben dem Breitscheidplatz protestierte sie öffentlich, weil eine "Verschattung" der Kirche drohe.

Die 47-Jährige ist "Neuköllnerin in vierter Generation", wie sie erzählt, wuchs aber in Schöneberg auf. An ihren ersten Blick auf die Gedächtniskirche erinnert sie sich noch gut. Als sie ein Kind war, hatte die Mutter ihr das Gotteshaus gezeigt. Der Neubau-Architekt Egon Eiermann "wollte damals erst den Abriss" der alten Kirchturm-Ruine. Die Mutter erklärte ihrer Tochter jedoch, dass die Reste als Mahnmal gegen den Krieg stehen bleiben müssten.

Später, als Konfirmandin, wusste Sylvia von Kekulé, dass sie Pfarrerin werden möchte. "Mein Pfarrer hat mich geprägt." An die Gedächtniskirche dachte sie allerdings noch nicht. Nach dem Schulabschluss folgte "meine Sturm- und Drang-Zeit", in der das Pfarramt wieder in weite Ferne rückte. Sylvia von Kekulé strebte ein Lehramt in Latein und Sport an, brach das Studium aber ab. Dann wurde sie Arzthelferin, und kurzzeitig jobbte sie auch an einer Tankstelle. "Ich habe immer gearbeitet." Erst mit 30 Jahren entschloss sie sich zum Theologie-Studium.

Als sie dem Vikariat zunächst in der Charlottenburger Trinitatis-Kirche predigte, wurden Gemeindemitglieder von der Gedächtniskirche auf sie aufmerksam. 1995 kam es zum Wechsel an den Breitscheidplatz. Seitdem wohnt die Pfarrerin - gemäß einer "Residenzpflicht" - mit ihrem Mann und zwei Söhnen im Gemeindehaus an der Lietzenburger Straße. Zur Familie gehören noch ein weiterer Sohn und ein Pflegesohn, die inzwischen ausgezogen sind. In die Kirche kommt die Pfarrerin normalerweise jeden Tag. Arbeit gibt es zuhauf, denn die Gemeinde hat keinen weiteren Pfarrer. Allerdings unterstützt Ex-Pfarrer Knut Soppa seine Kollegin mitunter, obwohl er im Ruhestand ist. Mit etwas Glück "schaffe ich zwei halbe freie Tage pro Woche", sagt Sylvia von Kekulé. Ihr größtes Hobby ist Sport: sie joggt und macht Fitness-Training.

Die Pfarrerin wirkt locker und lacht viel, sagt aber: "Tief drinnen habe ich einen sehr konservativen Kern." Sie möchte den Menschen "Gottes Liebe" nahe bringen und die Gottesdienstbesucher zugleich an ihre Verantwortung erinnern. Schließlich habe "der Mensch die Freiheit, zu entscheiden zwischen Gut und Böse". Die Reklame am Glockenturm war aus Sicht der Pfarrerin keine Entweihung der Kirche. Die schärfsten Gegner seien Menschen gewesen, "die wenig mit der Kirche zu tun haben oder sogar ausgetreten sind".

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