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Im Scheinwerferlicht. Die fünfköpfige Boygroup begleitet mit Take-That-Stücken die Handlung des Stücks.

© Matt Crockett/Promo

Theater des Westens: Take That-Musical "The Band" startet in Berlin

In „The Band“ schwärmen Freundinnen zu den Liedern von „Take That“ für eine Boygroup. Die richtigen Bandmitglieder haben einen Gruß für alle Tagesspiegel-Leser.

Tief unten im Keller des ehrwürdigen Haymarket Theatre in London sitzt Gary Barlow zusammen mit Mark Owen und Howard Donald, seinen Sänger-Kollegen der Boy Group „Take That“ und redet über seine Gedanken und Gefühle. Zwischendrin verrät er ein Geheimnis. Er weiß nämlich schon, was seine Frau sagen wird, wenn er nach Hause kommt. Das, was sie immer sagt in solchen Fällen: „Na, hat es dir Spaß gemacht, den ganzen Tag über dich selber zu reden?“

Vielleicht kommt daher die überraschende Demut, mit der er über seine Haltung zum Publikum spricht. Selbstverständlich ist die nicht. Als „Take That“ vor 30 Jahren als eine der ersten Boy Groups gecastet wurden, lösten sie regelmäßig Kreischalarm, hysterische Attacken und Ohnmachten bei Tausenden verliebter Mädels aus. So liefen, als sich die Band 1996 trennte, die Leitungen bei den Suizid-Hotlines heiß.

Auch nach der Wiedervereinigung 2006, nach dem Verlust der einstigen Mitglieder Robbie Williams und Jason Orange werden „Take That“ in Sachen Erfolg in einem Atemzug mit den Beatles genannt. Um Kreischattacken zu vermeiden, schmuggelt man sie durch Hintereingänge ins Theater.

Im Mittelpunkt steht die Geschichte von fünf Freundinnen, die in eine Boygroup verliebt sind

Nun gibt es auch ein Musical mit Take-That-Musik. In London wurde es mit viel Erfolg gespielt, in Berlin hat es im April Premiere. Geschrieben hat es Garys guter Freund Tim Firth. Es steckt voller Überraschungen. Wer denkt, er müsse sich hier von der Erfolgsgeschichte der Band berieseln lassen, vom sagenhaften Aufstieg, wird möglicherweise begeistert sein, von der ganz anderen Geschichte, die das Musical „The Band“ erzählt.

Eine Reise durchs Leben mit viel Musik. Nach 25 Jahren treffen sich die Freundinnen von einst wieder.

© Matt Crockett/Promo

Es beginnt beim Titel. Da denkt jeder sofort an eine Musikgruppe, an eine Band. Auf dem Poster sind aber Freundschaftsbändchen und ein Ehering zu sehen, gemeint sein könnte auch das Band – der Liebe und der Freundschaft. Im Mittelpunkt steht die Geschichte von fünf Freundinnen, die rettungslos in eine Boygroup verliebt sind. Nach dem ersten Konzert, das sie besuchen, werden sie durch ein tragisches Ereignis getrennt. Nach 25 Jahren ohne Kontakt gibt es ein Wiedersehen, als die Boygroup von einst ein Konzert in Prag gibt.

Eine wahre Geschichte war die Inspiration für das Musical

Erst als ihm klar wurde, dass man eine eigene Geschichte erzählen muss und die Lieder nur insoweit hineinnehmen darf, wie es die Geschichte erlaubt, habe er sich auf das Unternehmen eingelassen, erzählt der Autor Tim Firth, der in Sachen Aussehen den Bandmitgliedern in nichts nachsteht.

Darsteller zu finden, die gleich gut singen, tanzen und schauspielernd die echten Take That darstellen können, hielt er für unmöglich. Erst als ihm klar wurde, dass man auch um die Fans, also die schwärmenden Mädchen, eine Geschichte entwickeln kann, erwärmte er sich für die Musical-Idee.

Deshalb hat es eine Weile gedauert, ihn zu dem Projekt zu überreden. Dabei kommt er aus Frodsham, dem gleichen Dorf wie Gary Barlow, und ist dort, wie der Sänger mit Ehrfurcht in der Stimme erzählt, eine angesehene Persönlichkeit, weil er sich in vielen Projekten für die Gemeinde engagiert.

Dort in Frodsham gab es tatsächlich einen Kreis von fünf Freundinnen, die immer zusammen gesehen wurden, bis eine von ihnen, großer Take-That-Fan, bei einem Autounfall starb. Diese wahre Geschichte war die Inspiration für das Musical, das im Grunde davon handelt, welche Rolle Musik im Leben spielt, was sie für persönliche Erinnerungen bedeutet.

Tanzen und singen ist ihre Hauptaufgabe in dem zwei geteilten Musical

Wie ein Mensch lebt, der mit Musik lebt, darum geht es. Die Jungs in dem Stück, die all die Take-That-Lieder singen, aber nie bei diesem Namen genannt werden, treten am Rande auf. Tanzen und singen ist ihre Hauptaufgabe in dem zwei geteilten Musical. Sie rahmen die Mädchen und später die Frauen gewissermaßen ein. Die 16-jährigen Mädchen sagen häufig „Oh my God!“. Dazu passt natürlich „Pray“, der erste Song. Die Jungs verstecken sich überall im Leben der Mädchen. Sie umringen die Dusche, springen aus dem Schrank hervor oder unter einem Kissen.

Natürlich verbergen sie sich in jedem einzelnen Schließfach in der Schule. Später, ungefähr eine Million Liebeslieder später, formieren sie sich zum Spalier, wie nach dem Vorbild des Chors in der griechischen Tragödie, der das Geschehen auf der Bühne kommentiert. Im zweiten Teil blicken die erwachsenen Frauen zurück auf die Träume und Hoffnungen von einst und was das Leben damit angestellt hat.

Von fünf auf drei. Mark Owen, Howard Donald und Gary Barlow (von links) sind Take That.

© Jamie Lucas/Promo

„Wir wollen auf die Straße zurück“, sagt Gary Barlow

Sie hätten sich das Musical öfter angeschaut, erzählen Gary, Mark und Howard. Ganz vorn in der Loge saßen sie und studierten vor allem die Gesichter im Publikum, um zu sehen, was die Musik bewirkt. Wenn sie auf der Bühne stehen, geht das ja nicht. Das sei wie ein Spiegel gewesen, einfach wunderbar.

Offensichtlich war das ein tief bewegendes Erlebnis. Im Publikum sind sie sich selbst begegnet „Das Gefühl liebe ich auch“, sagt Gary. „Aus dem Theater zu kommen und zu spüren, etwas in mir hat sich bewegt.“ Die jugendliche Unbefangenheit haben sie inzwischen verloren, nehmen den Kreischalarm nicht mehr selbstverständlich.

„Ich habe großen Respekt davor, wenn 15.000 Menschen kommen und uns ihre Zeit schenken“, sagt Gary im Hinblick auf die anstehende Tournee. „Da will ich unbedingt jeden Abend mein Bestes geben.“ So gut ihnen das Musical gefällt, ihre eigentliche Berufung wollen sie dem Genre nicht opfern. „Wir müssen auf der Bühne stehen“, sagt auch Mark. „Wir wollen auf die Straße zurück“, ergänzt Gary. In der modernen Welt handele alles nur von Kopfhörern, mit denen man sich von der Umgebung abkapselt. Umso bedeutsamer seien die zwei Stunden Verbundenheit mit dem Publikum bei einem Konzert. „Das ist so ganz und gar positiv, fast wie Meditation.“

Unvergessen ist der MTV-Auftritt von "Take That" am Brandenburger Tor

Auf Deutschland freuen sie sich besonders, nicht nur Howard, der überwiegend in Münster lebt. „Deutschland war so gut zu uns“, bekräftigen sie. Unvergessen der MTV-Auftritt am Brandenburger Tor am Anfang ihrer Karriere, ein wichtiger Teil der Take-That-Legende. Sie selber sind über die Jahre öfter nach Deutschland gekommen, haben Freunde hier. Die Musik der Fantastischen Vier gefällt ihnen. Und sie essen gerne Currywurst.

Aber eigentlich ist es die ganze Atmosphäre, vor allem in Berlin. Dass man für ein Musikvideo als Astronaut verkleidet durch die Straßen laufen kann und niemand sich wundert. Seit ihren ersten Erfolgen hat sich manches geändert, auch in ihrem Leben. Nicht nur die Fans von einst kommen mit ihren Kindern in die Konzerte. Sie selber haben auch Kinder, und die sind stolz auf ihre Väter.

Allein das hat die Wiedervereinigung der Band in ihren Augen schon gelohnt. Dass der Nachwuchs die Erfolge miterleben kann. Rückblickend betrachten sie es als Privileg, was ihnen passiert ist. Bevor es Take That gab, waren sie kaum aus ihren Dörfern herausgekommen. Erst der Erfolg hat sie nach Berlin, Tokio und New York gebracht: „Unsere Augen wurden für die Welt geöffnet, das war wundervoll.“

Die Musiker sind "superhappy" mit dem großen Erfolg des Musicals

Heute leben sie vernünftiger als früher. „Wir müssen uns mehr um unsere Körper kümmern“, sagt Howard. „Wir können die Kerze nicht von beiden Seiten abbrennen“, ergänzt Gary. Und Mark wird noch konkreter: „Viel Wasser statt Drinks, gesunde Ernährung, Sport.“ Je älter ein Auto sei, desto mehr Wartung brauche es. So sei das mit ihnen auch. „Es macht uns ja riesig großen Spaß aufzutreten.“ So soll es noch lange bleiben.

Dass es nun ein Musical mit ihrer Musik gibt, bedeutet ihnen viel: „Das ist ein großer Erfolg, über den wir superhappy sind.“ Obwohl das Musical auch seine eigenen Grausamkeiten hat. Nicht jedes Lied funktioniert in der Geschichte. „Manchmal wollten wir ein Lied unbedingt reinhaben, aber es ging einfach nicht.“ Der Song „Cry“, bei Live-Konzerten ein Höhepunkt, wollte nicht passen, obwohl in dem Stück und auch im Publikum viele Tränen verdrückt werden.

"Take That" feiert dieses Jahr 30-jähriges Bühnenjubiläum

Vielleicht ist es bezeichnend, dass die Jungs von Take That im wirklichen Leben ihre Träume wahr gemacht haben. Die Protagonistinnen im Musical sind dagegen zum Teil an der Realität gescheitert. Besonders bewegend ist die Geschichte der Olympia-Aspirantin von einst, deren Leben so ganz anders verlaufen ist. Zwar können die drei Sänger von Take That zur Berliner Premiere nicht kommen wegen ihrer eigenen Tournee mit den größten Hits zur Feier des 30-jährigen Bühnenjubiläums. Aber anschauen wollen sie sich die Berliner Produktion im Theater des Westens auf jeden Fall.

Tim Firth hat das Musical geschrieben und wollte dabei nicht die Geschichte von Take That erzählen.

© Jamie Lucas/Promo

Wenn sie, wie geplant, am 1. April zu einer der letzten Proben kommen, dann lassen sich vielleicht noch eigene Ideen einbringen in die Inszenierung. Ob es funktionieren wird, ob sich der britische Humor auf die Deutschen übertragen lässt? „Haben die Deutschen Humor?“, fragt Gary mit frecher Unschuldsmiene. Dann erklären sie, dass das, was sie machen, eben mit Risiken behaftet ist. „Jeder Abend ist anders.“

Die Form des Publikums variiert, aber auch die Geistesgegenwart der vielen involvierten Techniker. Im Musical sind neben tragischen auch komische Elemente verarbeitet. Im Grunde hat sich das Genre des Best-Of-Musicals noch mal erweitert, indem eine kluge Geschichte das Korsett gab für die Hits. Lachen und Weinen gehören dazu. Vor dem Hintergrund der Niederlagen, die sich die Freundinnen nach 25 Jahren eingestehen, gewinnt ein Titel wie „Relight my Fire“ eine völlig neue Dimension: Nicht nur romantische Liebe, auch Freundschaft kann die Lebensfreude neu entzünden.

Premiere „The Band“ 11. April, 19:30 Uhr, Stage Theater des Westens

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