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Berlin: Tanz den Winter weg

Wenn eine Weihnachten liebt, dann Entertainerin Gayle Tufts. Vier Shows und ein Buch beweisen es Ihr Programm „Let it show“ feiert aber etwas anderes – die kalten Monate als Rückzugs- oder Partyzeit.

Meine Güte, die Frau braucht Nervennahrung. Ist auch ziemlich kalt hier drin. Gayle Tufts’ Künstlergarderobe im Tipi am Kanzleramt ist vollgestopft mit Premierensträußen, Schminkutensilien, Glitzerfummeln, Pumps. Und auf dem langen Schminktisch steht, gleich an der Tür, eine Platte mit Kuchentrümmern, die die stattliche Ursprungsgröße der Schokotorte mit Zuckerguss erahnen lassen. „Der Rest von der Premierentorte“, sagt Tufts. Den habe, wie immer, ihre beste Freundin Cynthia Barcomi, die die zwei gleichnamigen amerikanischen Bäckereien in Kreuzberg und Mitte betreibt, für sie gebacken. Und weil Tufts’ neues Programm „Let it show“ eine Wintershow ist, war der Kuchen ein zuckerweißer Schneemann. Den verfüttert die mit 51 Jahren stark erschlankte Entertainerin aber lieber an ihr Team statt ihn allein zu essen.

Die Schönebergerin aus Amerika hat zwischen 2002 und 2008 zwei Weihnachtsshows im Friedrichstadtpalast und zwei im Tipi herausgebracht , dazu das Buch „Weihnachten at Tiffany’s“. Diesmal feiert sie nur den Winter, das hat einen einfachen Grund. „Wenn man eine Show zu Weihnachten macht, hat man selbst keins.“ Schlecht auszuhalten für einen erklärten Fan des Festes. Außerdem könne man in einer Wintershow frecher sein, sagt Gayle Tufts. Weihnachten veräppeln würde sie nie. „Dazu mag ich es zu sehr.“

Seit sie denken kann, ist das so. Daheim in Brockton, Massachusetts, „eine Art Cottbus am Meer mit einer Prise Dortmund“, wie Gayle Tufts ihr Kleinstadtidyll beschreibt, wartete sie als Kind hingebungsvoll auf Santa Claus, der in der Nacht vorm ersten Weihnachtstag die Geschenke bringt. Und weil Klein-Gayle sich mit ihm gut stellen wollte, stellte sie ihm immer Cookies und Milch zur Stärkung hin. Schwer ins Grübeln kam das Kind dann an dem Weihnachtsmorgen, als sich Santa mit einem Zettel in Vaters Handschrift bedankte: „Danke für die Kekse, aber im nächsten Jahr wünsche ich mir Thunfischsandwich und Bier.“

Bei Gayle Tufts, die seit 1991 in Berlin lebt, und Weihnachten immer mit ihrem Mann bei Freunden am Kollwitzplatz feiert, kommt als Weihnachtsessen allerdings Feineres auf den Tisch. Gesungen wird nicht. „Wir sind alle aus dem Business, also ist Weihnachten Show-freie Zone“. Gebetet schon. „Das mache ich jeden Tag, von nichts kommt nun mal nichts“. Weihnachten ist für sie aber nicht nur ein christliches Fest, sondern durch alle Religionen eines „der Hoffnung auf Liebe und Licht“.

Und gefällt ihr auch irgendwas daran nicht? „Marzipan und Weihnachtssteifheit.“ Viel zu viele Leute betrachteten es als Pflicht, perfekte Geschenke zu machen und ein perfektes Fest auszurichten. Sich selbst wegen so was fertig zu machen, ist Tufts Sache nicht. Die singende Therapeutin gegen Weihnachtsstress und Winterdepression empfiehlt: „Nimm Dir Zeit für dich. Mach Handy, PC, Fernseher aus und geh spazieren oder früh zu Bett.“

Tanzen sei ebenfalls gut geeignet, um die im Winterschlaf liegenden Endorphine anzustupsen, findet sie und führt das in der Show samt Tänzern und Band auch gleich vor. Mit einer Soulnummer wie „Nutbush City Limits“, die sie, der Scherzkeks, in einem mit Plüschhörnchen besetzen Haselnusskostüm darbietet, oder mit dem Discokracher „Relight my Fire“. Ein Weihnachtslied kommt übrigens trotz Spekulatius-Abstinenz vor: die Superschnulze „Last Christmas“ von Wham. Hilfe, warum? „Ich wollte ein europäisches Weihnachtslied haben und George Michael ist Brite.“ Überhaupt wird die Amerikanerin nicht müde, die europäische sprich deutsche Weihnacht zu loben. „Wegen Eurer Innerlichkeit, Eurer Nachdenklichkeit bin ich schließlich hergezogen.“ Die müsse man verteidigen.

Sie selbst wünscht sich zum Fest allerdings keine Schopenhauer-Gesamtausgabe, sondern einen Golden-Retriever-Welpen. Nur sind Tiere bei ihr im Haus nicht erlaubt. Da schaut Gayle Tufts treu und barmt: „Frau Vermieterin Krüger, bitte, bitte haben Sie ein Herz!“

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