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Auch ehemalige Angehörige der Roten Armee gedachten am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow des Kriegsendes.

© Macdougall/AFP

Kriegsende vor 70 Jahren: Tausende pilgern zum Ehrenmal in Berlin-Treptow

Sowjetstern und Russlandfahne, Putin-Shirt und Stalin-Bild, Nachtwölfe und Familien: Viele Besucher aus osteuropäischen Ländern gedachten des Sieges über Hitler-Deutschland.

Es kommen tausende, über den Tag vielleicht zehntausend Menschen, die an die Befreiung Europas von den Nazis erinnern wollen. Und an den Siegeszug der Roten Armee. Die Straßen am Treptower Park sind verstopft, stundenlang strömen Besucher aus vielen osteuropäischen Ländern auf das Gelände des sowjetischen Ehrenmals. Sie tragen russische und sowjetische Fahnen, Putin-Support-T-Shirts, Uniform oder dunkle Anzüge. Sogar Stalin prangt auf einer Flagge. Überall auf den Grabsteinen und Statuen liegen Blumen, rote Nelken, Rosen, Chrysanthemen. Auf den Stufen zur Krypta unter dem 30 Meter hohen Soldaten mit Schwert und Kind ist kein Durchkommen mehr.

Auch die Rocker sind erschienen, breitbeinig, sonnenbebrillt, in dicken schwarzen Lederkutten, auf denen ein Wolfskopf aus einem eisernen Kreuz herauswächst. Unterstützer der Nachtwölfe, auf die hier viele warten. Reden will ihr Anführer nicht mit der Presse. Als schließlich gegen Mittag in der Menge plötzlich die Nachtwölfe ausfindig gemacht werden, bildet sich sofort eine große jubelnde Fangemeinde, die sie zusammen mit Schaulustigen umringt. „Hurra“-Rufe ertönen. Die Rocker bahnen sich den Weg hinauf zur Krypta, werden unterwegs wie Helden gefeiert. Drinnen knien sie einer nach dem anderen nieder, bekreuzigen sich, legen Blumen und Kränze ab. Es ist ein Ort der stillen Trauer, eigentlich, doch dafür ist der Tag heute zu festlich und fröhlich.

Für viele ist es ein Familienausflug, mit Picknick und Festtagskleidung, für andere eine politische Demonstration ihrer Unterstützung für Russland und Putin im Ukraine-Konflikt. Die Fahne von Neu-Russland weht an verschiedenen Orten, die ukrainische ist nicht zu sehen. Aus einem Lautsprecher dröhnen antifaschistische Hymnen und die Internationale. Aleksander aus Lettland, ein Mittdreißiger, der für die Beschallung verantwortlich ist, gibt sich als Unterstützer der Donbass-Separatisten zu erkennen. Wenn er nicht hier ist, demonstriert er vor der ukrainischen Botschaft in Berlin, erzählt er.

Die Polizei lässt alle Fahnenträger gewähren, erst als ein großes rotes Transparent an gasgefüllten Luftballons in den Himmel steigt, fragen sie nach einer Genehmigung. Nur wegen der Ballons, sagt ein Beamter. Der rote Stoff ehrt die Division der Roten Armee, die 1945 den Reichstag eroberte, erzählt der Übersetzer der Initiatoren. „Das ist eine Gruppe aus Moskau, die das lange vorbereitet hat.“

Zur 30 Meter hohen Soldaten-Statue zog es alle Besucher des Treptower Ehrenmals.

© Macdougall/AFP

Natalia Kowalow aus Karlsruhe ist mit ihrer Familie gekommen. „Wegen des Friedens.“ Ihre Kinder tragen Schilder mit den vergilbten Fotos der Urgroßväter, die im Krieg gekämpft haben. Als Zeichen des Sieges tragen fast alle Besucher das orange-schwarz-gestreifte St. Georgs-Band. So ähnlich sehe das auch am 9. Mai in Moskau aus, sagt ein Besucher. Was hier wie Folklore wirkt, gehört zur Gedenktradition der Russen.

Die Belegschaft der russischen Botschaft sei komplett vertreten, sagt ein junger Oberstleutnant in Uniform. Viele Zivilisten tragen ein braunes Barett mit Sowjetstern, auch die Kinder. Zieharmonikaspieler intonieren russische Lieder, zu denen spontan gesungen wird. Eine Gruppe aus dem polnischen Zielona Gora hat sich historische Uniformen besorgt, die Frauen sind als Krankenschwestern ausgestattet. Damit sind sie ein beliebtes Fotomotiv. Aber natürlich gehe es ihnen nicht um den Spaß am Verkleiden, versichert ihr Sprecher.

Die Freidenker sind gekommen, Friedensaktivisten mit Regenbogenfahne, eine Gruppe fordert Putin auf, Deutschland erneut vom Faschismus zu befreien. Dmitry aus Krasnodar hat Porträts seiner im Krieg gefallenen Großväter auf sein T-Shirt drucken lassen. Seine Begleiterin Julia möchte die „falschen Informationen“ über Putin und die Ukraine bekämpfen. Es gebe einen „Informationskrieg“. „Im Westen verstehen sie den russischen Geist nicht.“

Julia Block aus Berlin will von der „dreckigen“ Politik dagegen nichts wissen. Sie läuft mit ihrem Vater Peter, einem ehemaligen russischen Marineoffizier, über das Gelände. Ihr Vater trägt seine mit Orden gesäumte schwarze Marineuniform.

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