zum Hauptinhalt

Berlin: Tausendsassa

Pilot, Kapellmeister, Moderator: Steffen Kepper reicht ein Job oder ein Hobby nicht

Der Typ ist eines dieser lässigen Showtalente, die einem so nur in dieser Stadt begegnen. Irgendwann im vorigen Jahr im Festsaal Kreuzberg beim heiteren Powerpoint-Vortragsabend für Nerds, der Pecha Kucha Night, wo er in einem Sechs- Minuten-Crashkurs mit alle 20 Sekunden wechselnder Folie erklärt, wie man ein Flugzeug notlandet. Neulich auf dem Richardplatz beim Konzert zur Eröffnung des Kulturfestivals 48 Stunden Neukölln, wo er das Blasorchester Zentralkapelle Berlin dirigiert. Oder Donnerstag und Freitag bei der Strandvölkerball-WM am Oststrand hinter der East-Side-Gallery, wo er auf einem hochbeinigen Bademeisterstuhl thront und flott die sportiven Verrenkungen der 15 mitspielenden Völker kommentiert.

Steffen Kepper heißt der Typ. Ist 34, vor gut zehn Jahren für einen IT-Job aus Frankfurt am Main nach Berlin gezogen, lebt in Prenzlauer Berg, trägt einen szenetypischen Bart, hat ein Fachbuch herausgebracht, in Orchestern Trompete gespielt, Musik für Film und Theater komponiert, eine Veranstaltungsreihe namens Kammermusikabend gegründet und ist seit kurzem auch noch frisch ausgebildeter Berufspilot. Wow, wie machen diese Typen das bloß? Wo andere sich schön völlig damit aufreiben, nur einen Job und sonst gar nichts zu haben.

Der Mann mit den öffentlich ausufernden Hobbys guckt in die Wolken, die geschwind über den Oststrand ziehen, zeigt auf ein knallrotes Wasserflugzeug, das am Himmel brummend Kreise zieht und zuckt die Schultern: „Ich mache halt gern was, wenn ich Zeit habe.“ Die Völkerball-WM etwa sei genau sein Ding. Bringt nichts ein, aber macht Spaß, denn „Ernst ist nicht so meine Stärke“. Zum achten Mal läuft die WM der bunt ausstaffierten Völkerschaften mit Sommerpartyappeal jetzt schon am Oststrand. Kepper ist fast von Anfang mit dabei. Freunde organisieren und spielen mit, eine halb amateurhafte, halb professionelle Mischpoke. Es sei die ideale Verbindung von Sport, Rumhängen und Feiern, sagt Kepper. „Keine Fake-Veranstaltung, sondern ein Wettkampf mit ordentlichem Regelwerk, wo nur Ehrgeizige gewinnen.“ Das Wort tönt überraschend ernsthaft aus seinem Ironikermund. Wie er zum Moderieren kam? „Ich red’ halt gern.“

Noch lieber musiziert der gelernte Trompeter oder lässt als Dirigent musizieren. Die von ihm und ein paar Freunden gegründete Zentralkapelle Berlin gibt es seit 2002. Bis zu 50 Musiker proben jeden Montag in einer Kreuzberger Schule, die meisten Amateure, aber Berufsmusiker sind auch darunter. Beim Finale der Strandvölkerball-WM am Sonntag tritt die schmissige Kapelle zum ersten Mal auf. Ihr ernsthaftes sinfonisches Repertoire, dass sie schon in gesittete Konzertsäle wie die Philharmonie geführt hat, lassen sie zu Hause und spielen was aus dem „schwarzen Ordner“, grinst Kapellmeister Kepper. Also Blasmusik-Gassenhauer wie Märsche, Polkas und ein Udo-Jürgens-Medley. Mit dem Orchesterklang könne man alle Facetten des Lebens ausdrücken, sagt Steffen Kepper und dass es ein großes Glücksgefühl sei, als Orchesterleiter Musik zu interpretieren.

Völkerball und Klassik gehen in seinem Fall so gut zusammen wie Spaß und Ernst. Die Kombi macht den Charme dieser nicht krampfhaft nach Ruhm oder Kohle, aber durchaus nach Aufmerksamkeit strebenden Showtalente aus, die einem so nur in dieser Stadt begegnen. Gunda Bartels

Oststrand, Mühlenstraße 61, Friedrichshain, Sonnabend und Sonntag (Finale mit der Zentralkapelle Berlin), ab 19 Uhr, Eintritt frei, Orchesterinfos unter www.zentralkapelle.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false