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Berlin: Tempodrom-Chefin geht ins Kloster

Irene Moessinger plant ein Buch über ihr Leben. Ihr Nachfolger war einst selbst zahlungsunfähig

Die Ära Moessinger ist zu Ende. 25 Jahre nach der Gründung des Tempodroms muss sich die Initiatorin des Kulturprojekts am Montag aus dem Geschäft zurückziehen. Moessinger sowie ihr Geschäftspartner Norbert Waehl und ein Teil der Mitarbeiter der Tempodrom-Veranstaltungsgesellschaft räumten gestern ihre Büros, um den Weg für die neuen Betreiber freizumachen.

Ab heute führt die Unternehmensberatungsgesellschaft Treugast die Geschäfte, die das Veranstaltungsgeschäft in dem Bau offiziell ab August übernimmt. Der Wechsel war gegen den Willen Moessingers und Waehls nach der Zahlungsunfähigkeit ihres überteuerten Gebäudes vom Insolvenzverwalter eingefädelt worden, der das Haus ein Jahr lang gemeinsam mit den alten Betreibern geführt hatte.

Moessinger kündigte an, Berlin bis auf weiteres den Rücken zu kehren. „Ich gehe in ein Kloster und schreibe ein Buch“, sagte sie. Dann wolle sie in ihren alten Beruf Heilpraktikerin zurückkehren. Außerdem bereite sie eine Karriere „als Beraterin für Frauen in scheinbar ausweglosen Situationen“ vor, sagte sie und versprühte dabei trotz sichtbarer Trauer auch den kämpferischen Witz, der so lange ihr Markenzeichen war.

Der neue Betreiber des Tempodrom- Programms, Treugast-Geschäftsführer Stephan Gerhard, kündigte an, ab der kommenden Woche ein Kulturprogramm zu erarbeiten. Neben den von Moessinger und ihrem Team geplanten Veranstaltungen – die einen wirtschaftlich stabilen Betrieb des Hauses ermöglichen – will Gerhard zum Beispiel in der kleinen Tempodrom-Halle mehr Weltmusikgruppen auftreten lassen, wie man sie vom Tempodrom-Klassiker „Heimatklänge“ kennt. Gerhard behält neun von 15 fest angestellten Mitarbeitern, außerdem will er in den kommenden Tagen mit Aushilfskräften über deren Übernahme verhandeln.

Moessinger und Waehl hatten es abgelehnt, für den neuen Betreiber als Berater zu arbeiten. „Es ist überhaupt nicht erkennbar, mit welcher Kompetenz Treugast den Betrieb übernimmt“, sagte Norbert Waehl gestern. Auch der Kabarettist Arnulf Rating, einer der Mitbegründer und Veranstalter zweier Comedy-Programme im Haus, will sich ein neues Betätigungsfeld suchen. „Ich habe konzeptionell kein Vertrauen in die neuen Betreiber.“ Die Treugast, zu der nach Angaben des Geschäftsführers 20 Betriebe gehören, hat sich neben der Unternehmensberatung bislang vor allem durch den Betrieb von Hotels einen Namen gemacht.

Das Tagesgeschäft im Tempodrom soll künftig der Eventmanager Thomas Gross führen – eine Wahl, die bei manchen Beobachtern Irritationen auslöste. Gross hat in der Vergangenheit unter anderem die Potsdamer Schlössernacht organisiert. Dabei erlitt sein Unternehmen wegen unbezahlter Rechnungen das Schicksal des Tempodroms und ging insolvent, wie Treugast-Chef Gerhard dem Tagesspiegel bestätigt. Disqualifiziert für die Tempodrom-Führung sei Gross dadurch aber nicht, sagt sein Chef: „Seine fachliche Qualifikation als Veranstalter steht außer Frage, und für das Wirtschaftliche bin ich zuständig.“

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