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„Im Westen nichts Neues“ (eine Szene aus dem Film von 1930) war den Nazis verhasst. Remarques Schwester musste es büßen.

© imago/United Archives

Tod unterm Fallbeil: Eine Doppelbiographie verrät Details über Remarques Schwester Elfriede Scholz

Erich Maria Remarque wurde mit "Im Westen nichts Neues" berühmt. Weniger bekannt ist seine Schwester Elfriede Scholz, die von Nazis hingerichtet wurde.

Es war kein Zufall, das Erich Maria Remarque beim Umzug von Hannover nach Berlin Anfang 1925 in Charlottenburg landete. Seit einem Jahr wohnte seine jüngere Schwester Elfriede Scholz, damals noch unter dem Mädchennamen Remark, in der Suarezstraße 31 und war von ihm, dem künftigen Redakteur der Zeitschrift „Sport im Bild“, gebeten worden, sich nach einer Wohnung umzusehen.

Eine Gedenktafel erinnert an die frühere Bewohnerin, Remarque dagegen sind gleich zwei solcher Tafeln gewidmet: am Kaiserdamm 114, seiner ersten Berliner Wohnung, und in der Wittelsbacherstraße 5 in Wilmerdorf, wo sein Roman „Im Westen nichts Neues“ entstand.

Für beide Geschwister, denen der Autor Heinrich Thies jetzt eine Doppelbiografie gewidmet hat, wären weitere Gedenktafeln möglich und auch gerechtfertigt. Sie waren nur vorübergehend Berliner, aber stets an zentralen Stationen ihres Lebens und im Falle Elfriedes ihres Sterbens: Im heutigen Metropol am Schöneberger Nollendorfplatz fand am 29. April 1930 die Premiere von Lewis Milestones Film „All Quiet on the Western Front“ statt, Anlass zu Krawallen der an Bedeutung gewinnenden Nationalsozialisten.

Drei Jahre später brannte auch Remarques Roman auf dem heutigen Bebelplatz. Der Autor hatte sich am Vortag von Hitlers Machtergreifung in die Schweiz abgesetzt, wo er am Lago Maggiore eine Villa besaß. Später führte er in den USA ein von sprudelnden Tantiemen ermöglichtes, von berühmten Frauen wie Marlene Dietrich und Greta Garbo versüßtes Leben als Luxus-Emigrant zwischen Hollywood und New York.

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Seine Schwester Elfriede war 1926 in die damalige Modemetropole Leipzig und drei Jahre später nach Dresden gezogen. Dort arbeitete sie erfolgreich als selbstständige Damenschneidermeisterin, heiratete 1941 den bei der Kriegsmarine dienenden Musiker Heinz Scholz. Sie war eine den Nationalsozialisten gegenüber sehr kritisch eingestellte Frau, was sie in Gesprächen nicht verbarg.

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Von ihrer Vermieterin und einer Kundin wurde sie denunziert und wegen angeblicher Wehrkraftzersetzung angeklagt. So waren die letzten Monate ihres Lebens wieder mit Orten in Berlin verbunden – dem Untersuchungsgefängnis in Alt-Moabit, dem Volksgerichtshof in der Tiergarten Bellevuestraße, dem Frauengefängnis in der Barnimstraße in Mitte, schließlich der Strafanstalt Plötzensee, wo Elfriede Scholz am 16. Dezember 1943 mit dem Fallbeil hingerichtet wurde.

Der zuerst festgesetzte Termin drei Wochen zuvor war wegen eines Bombenangriffs kurzfristig aufgehoben worden. Man darf davon ausgehen, dass mit dem Todesurteil indirekt, ja wohl vor allem der bei den Nazis verfemte Bruder gemeint war. Aber an den kam Roland Freisler, der prozessführende Gerichtsvorsitzende, nicht ran.

[Heinrich Thies: Die verlorene Schwester. Elfriede und Erich Maria Remarque. Eine Doppelbiografie. Zu Klampen Verlag, Springe. 370 Seiten, 28 Euro].

Literatur zu Leben und Werk Remarques gibt in Fülle, über das seiner Schwester ist vergleichsweise wenig bekannt. Schon mit seiner Doppelbiografie über Marlene Dietrich und die von ihr verleugnete Schwester, Nazi-Gegnerin die eine, Mitläuferin die andere, hatte Heinrich Thies zwei konträre, verwandtschaftlich aber verbundene Lebensläufe in spannender Weise, minutiös recherchiert, zum Thema gemacht, in mitunter freilich recht romanhafter Manier – eine Schreibtechnik, der er sich auch bei der Doppelbiografie Remarque/Scholz bedient hat.

Das ist sicher zulässig, zumal Thies in den Anmerkungen stets darauf hinweist, wenn er den Boden der nachprüfbaren Tatsachen verlässt und ins Literarische wechselt. Wenn er aber, wohl im Bemühen, den lockeren Lebensstil im Berlin der zwanziger Jahre zu illustrieren, sogar eine mal als Karla, mal als Karl auftretende Freundin erfindet, geht das etwas weit. Und Formulierungen wie „Gevatter Tod hält reiche Ernte“ – es geht um Stalingrad – hätte das Lektorat dem Autor doch besser ausreden sollen. Etwas irritierende Ausrutscher, die so gar nicht zur Gesamtqualität des Buches passen wollen.

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