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Todestag Manfred von Richthofens: Der tote Baron

Manfred von Richthofen, der legendäre Rote Baron, wurde vor genau 100 Jahren abgeschossen. Die Geschichte seiner vielen Gräber ist speziell.

Die letzte Umbettung der Gebeine des berühmten Toten war heimlich erfolgt. Erst am 20. November 1976 konnte der Tagesspiegel melden, dass Manfred von Richthofen, der legendäre Rote Baron, mit seinen 80 Luftsiegen der berühmteste Jagdflieger des Ersten Weltkriegs, „auf Wunsch der Familie Ende vorigen Jahres vom Ost-Berliner Invalidenfriedhof zum Familiengrab auf den Nordfriedhof in Wiesbaden übergeführt worden“ sei. Zum Hintergrund der Umbettung hieß es kurz, die Gräber des Invalidenfriedhofs würden „inzwischen von der DDR nach und nach beseitigt“.

Eine scheinbar private Familienangelegenheit, tatsächlich aber ein hochpolitischer Vorgang. Der Invalidenfriedhof, für die Ost-Berliner Behörden ohnehin eine Weihestätte des verhassten preußischen Militarismus, war Sperrgebiet, Reste der einstigen Hinterlandmauer sind dort noch immer zu sehen. Beim Ausbau der Grenzanlagen Mitte der siebziger Jahre waren viele Gräber im Wege und wurden beseitigt, auch dem Grab Manfred von Richthofens stand das bevor.

In schwierigen Verhandlungen konnte die Familie den DDR-Behörden die Erlaubnis zur Umbettung abringen, der riesige, auf Hermann Görings Weisung 1937 aufgestellte Grabstein dagegen kam zum Fliegerhorst bei Wittmund, zum heutigen Taktischen Luftwaffengeschwader 71, das seit 1961 den Traditionsnamen „Richthofen“ führt.

Damit hätte die Geschichte um den toten Flieger, der an diesem Sonnabend vor 100 Jahren abgeschossen wurde, eigentlich zu Ende sein können. Doch im vergangenen Jahr ist der in der NS-Zeit aufgestellte Grabstein auf den Invalidenfriedhof zurückgekehrt, markiert erneut die Stelle, die jahrelang der Mittelpunkt eines fragwürdigen patriotischen Heldenkults war.

Die Umstände des Tods blieben lange unklar

Um den Tod des Roten Barons am 21. April 1918 nahe der nordfranzösischen Gemeinde Vaux-sur-Somme war lange gestritten worden, die Umstände blieben zunächst unklar. Doch offenbar war es die Kugel eines australischen MG-Schützen, der auf den roten Dreidecker gefeuert hatte, als dieser bei der Verfolgung einer gegnerischen Maschine die feindlichen Stellungen überflog.

Manfred von Richthofen konnte gerade noch landen, wurde jedoch tot aus seiner Maschine geborgen. Bereits einen Tag später wurde er auf dem Dorffriedhof von Bertangles, nördlich von Amiens, das erste Mal begraben, mit allen militärischen Ehren, im Internet findet man dazu noch ein historisches Filmchen.

Die Royal Air Force hatte über den deutschen Linien eine Nachricht vom Tod von Richthofens abgeworfen. An vielen Orten im Deutschen Reich fanden daraufhin Trauerfeiern statt, an der zentralen Veranstaltung in der Alten Garnisonskirche, die sich am heutigen Litfaß-Platz in Mitte befand, nahm auch Kaiserin Auguste Viktoria teil.

Manfred von Richthofen
Manfred von Richthofen

© imago/Cinema Publishers Collect

Fünf Jahre später wurden von Richthofens sterbliche Überreste auf Veranlassung der französischen Militärbehörden das erste Mal umgebettet, auf den deutschen Soldatenfriedhof im nordfranzösischen Fricourt. Das Grab blieb anonym, man musste sich erst durch lange Listen blättern, um es zu finden. Die Familie betrieb daher die Überführung des Toten in seine Heimat, fand auch die Unterstützung von Reichswehrminister Otto Geßler, der allerdings auf einem Ehrengrab auf dem Berliner Invalidenfriedhof bestand.

Die Verhandlungen mit den Franzosen, denen der in Deutschland mittlerweile grassierende, patriotisch gefärbte Heldenkult um den Toten nicht verborgen geblieben war, gestalteten sich schwierig. Doch am 20. November 1925 konnte von Richthofen schließlich doch im Rahmen eines Staatsakts, an dem auch Reichspräsident Paul von Hindenburg teilnahm, auf dem Invalidenfriedhof zur vermeintlich letzten Ruhe gebettet werden. Als Grabstein diente zunächst ein stilisierter Sarkophagdeckel aus Granit mit den Lebensdaten – zu mickrig in den Augen Hermann Görings, der 1918 der letzte Kommandeur des Monate zuvor vom Roten Baron geführten Geschwaders gewesen war, nun eine der Zentralfiguren des NS-Reiches, so auch als Reichsminister der Luftfahrt.

Von Richthofens Todestag bestimmte er 1935 als „Ehrentag der deutschen Luftwaffe“, ein Jahr später erhielten die Straßen des Tempelhofer Fliegerviertels, darunter die Manfred-von-Richthofen-Straße, auf seine Anweisung hin ihre Namen. Und 1937 veranlasste Göring, dass das Grab um einen weiteren riesenhaften Grabstein ergänzt wurde, auf dem nur der Name des Toten stand: Richthofen. Bei späteren Beerdigungen berühmter Jagdflieger wie Ernst Udet und Werner Mölders habe sich dieser Grabstein „als zentrale Kultstätte für die Inszenierungen vor der Öffentlichkeit und den Wochenschaukameras“ angeboten, schreibt der Historiker Joachim Castan in seiner 2007 erschienenen Biografie „Der Rote Baron“.

Flugtalent. Manfred von Richthofen war der Rote Baron, mit 80 Luftsiegen der berühmteste Jagdflieger des Ersten Weltkriegs.
Flugtalent. Manfred von Richthofen war der Rote Baron, mit 80 Luftsiegen der berühmteste Jagdflieger des Ersten Weltkriegs.

© imago/Hohlfeld

In dem Buch findet sich auch eine Aufnahme von 1938, die Göring mit einer militärischen Ehrenformation samt Hakenkreuz-geschmückter Fahnen am Grabe von Richthofens zeigt. Die Schleife an dem von ihm niedergelegten Kranz trägt die Aufschrift „Meinem tapferen Kameraden! Hermann Göring“. Der spätere Reichsmarschall inszenierte sich gern als Freund und Staffelkamerad des berühmten Toten, was aber laut Joachim Castan nur eine von ihm verbreitete Legende war.

Eine Nebenwirkung des Kalten Krieges

Mit dem 8. Mai 1945 endete für das Grab die Rolle als Mittelpunkt eines patriotisch-militaristischen Heldenkults. Erst 1975 spielte es in der deutschen Geschichte wieder eine kleine passive, zudem weitgehend unbemerkte Rolle, als es, eine Nebenwirkung des Kalten Krieges, gänzlich verschwand, die sterblichen Überreste des Toten nach Wiesbaden – allerdings auf den Südfriedhof – umgebettet wurden und der von Göring initiierte Grabstein nach Wittmund zum damaligen Jagdgeschwader 71 „Richthofen“ kam. An die einstige Grabstätte erinnere nichts mehr, konnte Castan noch schreiben, dies ist heute überholt.

Im Juni 2009 wurde dort zunächst auf Initiative des Fördervereins Invalidenfriedhof ein Gedenkstein eingeweiht, mit Zustimmung der Familie, die sich mit dem Verein und der Stiftung „von Rohdich’scher Legatenfonds“ (sie unterstützt in Not geratene Angehörige der Bundeswehr) die Finanzierung teilte. Und seit dem 24. Juni 2017 steht dort dahinter erneut der aus Wittmund zurückgekehrte Grabstein, ein „historisches Relikt“, wie Vereinsvorsitzender Hans Joachim Jung sagt. Die Geschwaderführung und die Familie hätten sich über die Rückführung verständigt und beim Verein deswegen angefragt, finanziert vom Verein sowie durch drei Spenden sei die Stein zurückgeholt worden.

Die erneute Einweihung erfolgte wieder mit militärischen Ehren. Soldaten des Wachbataillons standen stramm, Musiker des Stabsmusikkorps der Bundeswehr sorgten für weihevolle Stimmung, ein Vertreter der Familie hielt eine Rede, ebenso der Kommodore des Wittmunder, nun grabsteinlosen Geschwaders. Aber als Namenspatron bleibt ihm der Rote Baron ja erhalten, denn der gilt nicht, wie andere Stifter von Traditionsnamen bei der Bundeswehr, mittlerweile als politisch anrüchig. Mit der Fokker DR.I, dem legendären Dreidecker Manfred von Richthofens, haben die Eurofighter des Geschwaders allerdings nur noch eines gemein: Sie fliegen.

Joachim Castan: Der Rote Baron. Die ganze Geschichte des Manfred von Richthofen. Klett-Cotta, Stuttgart. 360 Seiten, 12,95 Euro

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