zum Hauptinhalt
Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand.

© Foto: dpa/David Ebener

Streit im Kino löste jahrelange Familienfehde aus: 34-Jähriger gibt tödliche Schüsse vor Berliner Shisha-Bar zu

Drei Männer stehen wegen Mordes an einem Mitglied einer ihnen verfeindeten Familie vor Gericht. Einer gesteht die Schüsse. Ermittler gehen von einer Rachetat aus.

Ein Streit um einen Sitzplatz in einem Kino war der Anlass für eine jahrelange Feindschaft zwischen zwei Roma-Familien, die in Mord endete. Davon geht die Anklage im Prozess gegen einen Vater, seinen 34-jährigen Sohn und dessen Cousin aus. Sie sollen einen 42-jährigen Mann aus der verfeindeten Familie vor einer Shisha-Bar in Wedding regelrecht hingerichtet haben. Auf gemeinschaftlichen Mord lautet die Anklage.

Vor dem Berliner Landgericht gab der Sohn am Mittwoch die Schüsse zu und schilderte sich als alleinigen Täter. Spontan habe er sich entschlossen, eine Pistole einzusetzen, die er sich kurz zuvor eigentlich nur zu seinem Schutz geliehen habe, erklärte Amir O. über einen seiner beiden Verteidiger.

Er habe einen erneuten Angriff befürchtet – „ich ging davon aus, dass er seine tschetschenischen Freunde herbeitelefonieren würde“. Hamid Hr. habe einen „Schiedsspruch“ nicht befolgt und sich nicht an die besprochene „Regel des Meidens“ gehalten.

Rache nach Tod der Schwester

Es war kurz nach 23 Uhr, als am 2. Oktober vorigen Jahres die Fehde der beiden Familien aus Bosnien-Herzegowina vor dem „Cafe 63“ tödlich eskalierte. Amir O. habe aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes mit seinem Vater Ismet H. und seinem Cousin Renato O. auf Hamid Hr. geschossen – „aus Nahdistanz von hinten in den Kopf“, heißt es in der Anklage. Sein Vater und sein Cousin hätten die Tat abgesichert. Als das Opfer bereits am Boden lag, habe ihm Amir O. noch einmal in den Kopf geschossen.

Aus Rache sei Hamid Hr. umgebracht worden, sind die Ermittler überzeugt. „Die Familie O. warf dem Opfer vor, für den Tod der Schwester des Amir O. und Tochter des Ismet H. verantwortlich zu sein“, heißt es in der Anklage – obwohl sie wussten, dass die 23-Jährige im Herbst 2018 bei einem Angriff der Familie O. auf Hr. im Zuge der Familienfehde tragisch durch einen Schuss ums Leben gekommen war. Dieser hatte sich versehentlich aus einer Pistole gelöst, die ein Bruder von Amir O. nicht ausreichend gesichert hatte.

Seit 2005 sind die beiden Roma-Familien verfeindet. Ein Mann erwies angeblich bei der Platzsuche in einem Kino in Spandau nicht ausreichend Respekt. Es kam zu Prügeleien, Beleidigungen, Drohungen. Auch sogenannte Friedensrichter sollen von den beiden Familien eingeschaltet worden sein. „Hamid aber blieb feindselig. Immer wieder gab es Provokationen, auf die ich und meine Familie leider reagierten“, schilderte nun der 34-Jährige. Im Oktober 2018 dann der Tod der 23-jährigen Schwester. Es geschah nach einer Hochzeitsfeier. Es kam zu Beleidigungen.

Spontan und in einer „affektgeladenen Situation“ hätten Mitglieder der Familie O. den verfeindeten Hr. attackiert, hieß es im Juli 2019 im Urteil wegen gefährlicher Körperverletzung gegen mehrere Mitglieder der Familie O., darunter auch Amir O. und sein Vater, die je drei Jahre Haft erhielten. Sie hätten Hr. einen „Denkzettel“ verpassen wollen. Von 130 Schlägen ging die Anklage aus. Hr. erlitt Kopfverletzungen und Prellungen. An Hr. zahlten die Angeklagten 20.000 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich.

„Wir wollten nur unsere Ruhe“

„Wir sahen es nach der Zahlung als abgeschlossen“, sagte Amir O. nun weiter. „Hamid Hr. aber bestand darauf, es müsse ein Roma-Gericht geben, alles müsse von den Älteren besiegelt werden.“ Es sei schließlich zu einem „Schiedsspruch“ gekommen, Hr. habe Berlin für eine Zeit lang verlassen und die Familien hätten sich aus dem Weg gehen sollen.

Hr. aber habe sich nicht daran gehalten. „Er engagierte Tschetschenen, die uns bedrohten“, sagte Amir O. „Nach einer massiven Drohung gingen meine Kinder angezogen ins Bett – aus Angst, sie könnten sonst nicht schnell genug fliehen.“

Seine Familie habe sich in Berlin eine Existenz aufgebaut – „wir wollten nur unsere Ruhe“, sagte O. Als Hamid Hr. vor der Shisha-Bar stand und die Situation bedrohlich wirkte, habe er in dem Gefühl gehandelt, „dass ich das Ganze beenden und die für mich unerträgliche Drucksituation auflösen müsse“. Sein Vater und der Cousin hätten mit der Tat nichts zu tun. „Ich bereue zutiefst.“ Der Prozess geht Freitag weiter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false