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Claudia Große-Leege in den Räumen des VBKI im Ludwig-Erhard-Haus in der Fasanenstraße 85 in Berlin Charlottenburg.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Topjob gegen Pflege der Eltern getauscht: VBKI-Geschäftsführerin begründet ihren Rückzug

Nach nur zwei Jahren legt Claudia Große-Leege ihren Posten nieder. Nun erklärt sie ihre Entscheidung und formuliert den Appell, dem Thema Pflege von Angehörigen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Claudia Große-Leege, die scheidende Geschäftsführerin des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), hat ihren Rückzug bei dem Wirtschaftsnetzwerk ausführlicher begründet – verbunden mit einem Appell, dem Thema Pflege von Angehörigen generell mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu schenken.

Der 1879 gegründete Verein, der mit 2300 Mitgliedern zu den wichtigsten Netzwerken Berlins gehört, hatte Ende vergangener Woche in seiner offiziellen Mitteilung zum Rückzug von Große-Leege nach nur zwei Jahren den Grund selbst eher flach gehängt. Sie verlasse die „renommierte Berliner Wirtschaftsinstitution“ aus „persönlichen Gründen“, hieß es zu Beginn der Pressemitteilung.

Erst im hinteren Teil wurde die 54-Jährige mit der Aussage zitiert, dass früher als geplant die Zeit gekommen sei, „diesen Traumjob gegen die Pflege der Eltern einzutauschen.“

In den Tagen darauf sorgte dieser Rückzugsgrund für Gesprächsstoff in Kreisen der lokalen Wirtschaft: Große-Leege schrieb in einem Beitrag auf der Onlinenetzwerk LinkedIn, die Kündigung „aus persönlichen Gründen“ gebe meistens Rätsel auf. „Und einen attraktiven Job gegen familiäre Aufgaben zu tauschen, ist immer noch ungewöhnlich.

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Die Pflege der Eltern wird zwar gesellschaftlich als wichtig befunden, aber immer noch selten als Grund für berufliche Veränderungen benannt.“ Sie habe sich von der früheren Bosch-Topmanagerin Vera Schneevoigt ermutigt gefühlt. Diese hatte Mitte Juni verkündet „Tausche Konzernkarriere gegen – Elternpflege!“, dies ausführliche begründet und dafür viel Applaus erhalten. Unter anderem von der Bahn-Konzernvorständin und langjährigen BVG-Chefin Sigrid Nikutta. („Was ein wichtiger und mutiger Schritt! Ich bewundere Dich!).

Nicht absehbar wie lange die Pflege dauert

Dem Tagesspiegel schrieb Claudia Große-Leege nun, dieser Schritt stelle ein Risiko dar, „denn er bremst die Karriere oder bringt sie ganz zum Erliegen, wenn nicht absehbar ist, wie lange die Pflege dauert oder wie umfangreich sie sich gestaltet. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf lässt sich nicht so zuverlässig planen wie die Elternzeit.“

Es gehe ihr nicht allein um die pflegerischen Aufgaben im engeren Sinne, sondern auch um die Verfügbarkeit für die Eltern beziehungsweise andere Angehörige „und somit auch um den eigenen Anspruch: Was möchte ich dazu beitragen, dass meine Eltern weiterhin ein gutes Leben haben? Im besten Falle kann hier der Generationenvertrag im althergebrachten Sinne innerhalb einer Familie wirken – statt Angehörige in professionelle Hände zu geben, das zurückgeben, was man selbst an Fürsorge und Unterstützung ein Leben lang erfahren hat.“

Große-Leege plädiert für eine Veränderung des Rechtsrahmens

Das Thema Pflege finde bis heute nicht den Stellenwert in unserer Gesellschaft, den es erhalten sollte, gerade angesichts der Demographie und der Frage, wie die geburtenstarken Jahrgänge in sehr naher Zukunft versorgt werden sollen. „Es bedarf mehr Vorbilder – von Männern und Frauen gleichermaßen. Nur damit kann der gesellschaftliche Wert auch gewürdigt werden.“ Es brauche eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Thema, so wie es bei der Elternzeit inzwischen erreicht worden sei, fügte Große-Leege hinzu.

Dazu habe auch eine Änderung des Rechtsrahmens bei der Kinderbetreuung positiv beigetragen. „Insofern sollte auch die Pflege noch einmal überprüft werden.“ Das Recht auf Pflegezeit sei bislang sehr eng geregelt: Freistellungen gebe es bei häuslicher Pflege für maximal sechs Monate und nur in Organisationen mit mehr als 15 Mitarbeitern, die gleiche Einschränkung gelte auch für die Familienpflegezeit (häusliche Pflege, nur in Organisationen mit mehr als 25 Mitarbeitern). „Wenn die Pflege von Angehörigen ein gesellschaftlich anerkanntes Konstrukt wie die Elternzeit werden soll, braucht es auch einen ähnlich attraktiven Rahmen“, meint Große-Leege.

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