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Berlin: Trotz Blindenhund in den Tod gestürzt 44-jährige Frau fiel vor einfahrenden S-Bahn-Zug

Bei der BVG ist kein ähnlicher Fall bekannt

Die blinde Frau, die am Dienstagabend bei einem Sturz vor die S-Bahn getötet wurde, galt trotz ihrer Behinderung als sehr souverän bei der Bewegung auf Straßen und Bahnhöfen. Einen Blindenhund hatte sie seit vielen Jahren, die 44-Jährige fuhr regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Wie berichtet, war die Frau auf dem S-Bahnhof Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg kurz nach 18 Uhr vor einen einfahrenden Zug gestürzt. Nach Polizeiangaben kam die Frau von der Treppe und lief parallel zur Bahnsteigkante. Durch einen „Fehltritt“, wie es im Polizeibericht hieß, sei die Frau aus dem Gleichgewicht geraten und vor die gerade einfahrende Bahn gefallen. Ihren Blindenhund „Takko“ hatte die Frau mit sich gerissen, der Retriever-Labrador-Mischling wurde verletzt.

Wieso die Frau stolperte, ist Polizei und Experten ein Rätsel. Ein Fremdverschulden sei ausgeschlossen, hieß es bei der Polizei. Dies hätten mehrere Zeugen ausgesagt. Beim Berliner Blindenverein (ABSV) kann man sich das Unglück nicht erklären. „Auf einen Blindenführhund kann man sich verlassen“, sagte Volker Lenk vom ABSV. Die Tiere seien trainiert, Abstand von Gefahrenstellen zu halten und Hindernissen auszuweichen. Ihren „Takko“ hatte die Frau zwar erst seit vier Monaten, zuvor aber andere Hunde. Die 44-Jährige aus Treptow arbeitete als Schreibkraft, galt als sehr versiert im Beruf. An diesem Abend kam sie vom Japanisch-Unterricht und wollte nach Hause.

An einen ähnlichen Unfall kann man sich in Berlin nicht erinnern. Bei der BVG sei so etwas nie geschehen, sagte Sprecherin Reetz; bei der S-Bahn ist im vergangenen Jahr ein Rollstuhlfahrer am Heidelberger Platz vor einen Zug gestürzt. Dabei soll es sich um einen Suizidversuch gehandelt haben. Wie es beim Deutschen Blindenverband hieß, seien Unfälle jedoch keine Seltenheit, so habe es im September zum Beispiel zwei Unfälle bei der Münchener U-Bahn gegeben. Ein – allerdings stark betrunkener – Mann starb dabei, ein zweiter blieb unverletzt. Eine Gefahrenquelle ist laut Blindenverein, dass Sehbehinderte, die mit einem Stock ausgestattet sind, zwischen zwei Waggons fallen, weil sie denken, das ist die Tür. Ein Hund dagegen würde einen Menschen sicher zur Tür leiten.

In den vergangenen Jahren sind die meisten Bahnhöfe mit Leitsystemen ausgestattet worden. Bei der BVG sind dies 81 der 170 Stationen, bei der S- und Fernbahn nach Angaben von Sprecher Ingo Priegnitz sogar 80 Prozent. Auch mehrere hundert Kreuzungen sind mit den hellen Riffelplatten ausgestattet worden, sagte Gerd Meyer von der Bauverwaltung. Dies sei seit 1999 Pflicht bei allen Neu- oder Umbauten. Die Lage der Riffelung zeige Blinden den Beginn von Überwegen an. Auch der Bahnhof Schönhauser Allee ist mit Riffelplatten ausgestattet. Da die getötete Frau keinen Stock benutzte, konnte sie von der Hilfe nicht profitieren. Ein Hund sei für den Blinden stressfreier, sagte Volker Lenk, und der Stock habe den Vorteil, dass man ihn nach Gebrauch wegstecken könne.

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