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Wohnungsnot in Berlin.

© Doris Spiekermann-Klaas

Internetplattform leerstandsmelder.de: Trotz Wohnungsnot sind hunderte Gebäude in Berlin ungenutzt

Ehrenamtliche dokumentieren den Leerstand von Wohnungen in Berlin im Internet. Ein Interview mit Nils Grube von der Plattform leerstandsmelder.de.

Trotz Wohnungsnot gibt es in Berlin noch immer hunderte leerstehende Gebäude. Ehrenamtliche wie Nils Grube machen diese auf der Internet-Plattform leerstandmelder.de für alle sichtbar.

Herr Grube, wieviel Wohnraum steht derzeit in Berlin leer?

Der letzte Zwischenstand ergab eine Zahl von 717 Gebäude. 360 davon sind reine Wohnhäuser, 150 von ihnen stehen komplett leer. Grob überschlagen, könnten dort tausende Menschen wohnen.

Was sind die Gründe für den Leerstand?

Wir erfassen in erster Linie strukturellen Leerstand. Das bedeutet, dass das Objekt länger als drei Monate ungenutzt ist. Vor einigen Jahren gab es oft noch ungeklärte Eigentumsverhältnisse. Heute lassen Investoren die Häuser vielfach bewusst leer stehen, da sie reine Spekulationsobjekte sind.

Gibt es konkrete Beispiele in Berlin?

Viele leerstehende Objekte sind stadtbekannt: Die Gebäude auf dem Teufelsberg, der Spreepark, das Haus der Statistik, die alte Eisfabrik in der Köpenicker Straße, die ehemalige Bärenquell-Brauerei in Niederschöneweide. Auf unserer Seite entstehen regelrechte Dokumentationen zu der Nichtnutzung dieser Orte.

Wann und warum wurde das Projekt gegründet?

Der Leerstandsmelder wurde vor sieben Jahren in Hamburg gegründet. In der Stadt gab es damals keine offensichtlich leerstehenden Objekte für alternative Kultur. Darum dachte man über ein Instrument nach, wie man Gebäude melden kann, die in Frage kommen. Mittlerweile gibt es in vielen Großstädten ehrenamtliche Gruppen, die das Prinzip übernommen haben. In Berlin sind wir seit 2012 aktiv. Auch Städte in Österreich, der Schweiz und Luxemburg machen mit.

Wie funktioniert das Prinzip?

Auf der Seite leerstandsmelder.de registrieren sich Benutzer mit ihrer Email-Adresse. Über eine Suchmaske können sie Adressen und Informationen über Leerstände hinzufügen. Die Meldung erscheint dann auf einer Karte. Überprüft, korrigiert und erweitert werden die Einträge durch andere Nutzer.

Geht es dem Leerstandsmelder immer noch um alternative Kultur?

Uns geht es vor allem um die Demokratisierung und Bereitstellung von Informationen. Alle sollen einen Einblick darein haben, welche Objekte in ihrer Stadt freistehen. Wir visualisieren den Leerstand. Das ist unser Instrument der Kritik. Was mit den Informationen geschieht, liegt in den Händen der Nutzer.

Könnten nicht auch Investoren Ihre Karte nutzen, um für sich geeignete Objekte zu finden?

Die Gefahr ist natürlich immer gegeben, aber für uns überwiegt das Argument der Transparenz. Große Immobilienhändler haben sicherlich andere Wege, um ihre Objekte zu finden.

Kann Ihr Projekt denn schon Erfolge vermelden?

Manchmal treten Initiativen auf uns zu und erzählen, dass sie für ihre Projekte durch unsere Seite einen Raum gefunden haben. Das ist schön, aber eher eine Seltenheit. Für uns ist der wichtigste Erfolg, dass das Bewusstsein für Leerstände gewachsen ist.

Das Gespräch führte Hannes Soltau.

Nils Grube, 35, hat Geografie und Stadtplanung studiert. In seiner prämierten Diplomarbeit beschäftigte er sich mit den Perspektiven kultureller Zwischennutzung von Leerstand.

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