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Über dem Abgrund. Die Brücken in der Halle des Hauptbahnhofs sind nichts für Leute mit schwachen Nerven. Macht aber nichts: Man darf sie sowieso nicht betreten.

© Mike Wolff

Schwindelgefühle im Berliner Hauptbahnhof: Über diese Brücken darfst du nicht geh’n

Im Hauptbahnhof verbinden gläserne Konstruktionen in luftiger Höhe die Bürotrakte. Deren Betreten aber ist verboten. Der Grund laut Bahn: Die Wege seien an Dritte vermietet. Tatsächlich sollen wohl Schwindelgefühle vermieden werden.

Es gibt Orte in Berlin, die sollten Menschen mit Höhenangst und der Neigung zu Schwindelgefühlen in luftigeren Lagen unbedingt meiden. Den Fernsehturm etwa oder den Funkturm. Und gewisse Brücken, zumal wenn sie einen fast freien Blick nach unten ermöglichen – wie im Hauptbahnhof. Dort verbinden zwei gläserne Konstruktionen hoch oben in der Halle die beiden Bürotrakte. Allerdings, betreten darf man die Brücken nicht. Das Durchqueren der Halle so hoch oben sei unzumutbar, heißt es intern bei der Bahn.

Ursprünglich waren die Brücken gar nicht vorgesehen. Die Bahn wollte die Räume in den sogenannten Bügelbauten vermieten. Unter anderem war ein Hotel geplant. Nachdem sich aber partout keine Interessenten finden ließen, beschloss die Bahn, selbst in die Bauten einzuziehen. Weil die Planer den Mitarbeitern ersparen wollten, beim Hin- und Herwechseln zwischen den Gebäudetrakten über die Straße zu laufen, wurden die Brücken nachträglich eingefügt – nach Plänen des Architekturbüros Gmp (Gerkan, Marg und Partner), das den Hauptbahnhof entworfen hatte.

Derzeit nutzt die Bahn drei Viertel der Gebäude selbst, nur der Nord-Ost-Flügel ist an andere Firmen vermietet. Offiziell begründet die Bahn die Sperrung mit der „teilweisen externen Vermietung“, die einer Nutzung der Brücken „entgegenstehe“. Allerdings trifft dies nur auf die nördliche Brücke zu. Die südliche, die nur Büros der Bahn verbindet, ist jedoch ebenfalls gesperrt. Dabei liegt im westlichen Flügel eine Cafeteria für die Bahn-Mitarbeiter – zu erreichen nur über den langen Weg, den man mit den Brücken vermeiden wollte.

Technisch sind die Brücken einwandfrei

Bahn-intern wird zugegeben, dass die „Skywalks“ genannten Brücken „sehr hoch“ sind. Tatsächlich wäre das Betreten der Brücken eine mentale Herausforderung. Sie sind nur 1,60 Meter schmal, und die Geländer sind bis auf die Holme durchgängig aus Glas. Schwindelerregend ist auch die Höhe: Knapp 17 Meter sind es bis zum Erdgeschoss, der „Ebene 0“. Dicht daneben wird der Blick frei zum noch 15 Meter tieferen Untergeschoss der Nord-Süd-Strecken.

Viele Menschen hätten bei derartigen Glaskonstruktionen Probleme mit Schwindelgefühlen, sagt ein Ingenieur und Brückenbauspezialist, der für ein Sachverständigenbüro arbeitet. Technisch sind die beiden Brücken einwandfrei. Die Geländer sind 1,40 Meter hoch und damit 30 Zentimeter höher als von der Bauordnung verlangt. Die Planer wollen nichts zu den verwaisten Brücken sagen. „Kein Kommentar“, hieß es bei den Architekten.

Und die Bahn verweist darauf, dass der Bahnhof „gesamthaft“ von den Architekten entworfen worden sei. Gmp wiederum ließ ausrichten, dass die Skywalks ein Wunsch des Projektentwicklers Tishman Speyer gewesen seien. Das Unternehmen wollte dies „weder bestätigen noch kommentieren“. Ein Brückenbau-Ingenieur kommentiert die gesperrten Skywalks so: „Da hat die Bahn jetzt zwei schöne Schmuckelemente im Bahnhof.“

Gunnar Hinck

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