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Er soll seine Frau vor den Augen ihrer beiden Kinder in einem Streit um Geld aus der Haushaltskasse erstochen haben: Nach dem gewaltsamen Tod einer 44 Jahre alten Ukrainerin in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft hat der Ehemann vor dem Berliner Landgericht gestanden. Er sei verantwortlich für die Tat und bereue zutiefst, erklärte der 51-Jährige am Dienstag zu Beginn des Prozesses wegen Totschlags. Allerdings habe er an die Sekunden des Messerangriffs keine Erinnerungen.

© Olaf Wagner

Ukrainerin in Berlin getötet: Ehemann zu fünf Jahren Haft verurteilt

Ein 51-Jähriger attackierte seine Frau in einer Berliner Unterkunft für Geflüchtete – vor den Augen ihrer beiden Kinder. Das Gericht ging von einer Tat im Affekt aus.

Die Familie war vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine geflohen. Doch wenige Monate später kam es in einer Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen in Alt-Hohenschönhausen zu einem Streit, in dem Edisher J. zu einem Messer griff. Er stach auf seine 44 Jahre alte Frau ein – vor den Augen ihrer beiden Töchter. Es war eine Tat im Affekt, hieß es am Mittwoch im Urteil des Landgerichts. Fünf Jahre Haft wegen Totschlags ergingen gegen den 51-Jährigen.

Wieder saß Edisher J. gebeugt auf der Anklagebank. Er hatte viel geweint in dem rund sechswöchigen Prozess. „Ich habe nicht irgendeinen Menschen getötet, sondern die Mutter zweier Kinder, die Mutter meiner eigenen Tochter, meine Jugendliebe, mit der ich über acht Jahre glücklich verheiratet war“, hatte er über seinen Anwalt erklärt. Er bereue zutiefst. „Es ging um ein wenig Geld für mich.“

Ich habe nicht irgendeinen Menschen getötet, sondern die Mutter zweier Kinder, die Mutter meiner eigenen Tochter.

Edisher J.

Edisher J. ist Georgier. Er und die Ukrainerin Olena J. kannten sich seit ihrer Jugend. 2014 heirateten sie. Die Frau brachte eine Tochter aus einer früheren Beziehung mit in die Ehe. 2016 wurde eine gemeinsame Tochter geboren. Olena J. arbeitete als Erzieherin. Den Unterhalt der Familie hatte in der Heimat vor allem Edisher J. bestritten, der als Kraftfahrer arbeitete. Er war damals für die Haushaltskasse zuständig. In Berlin aber änderte sich das.

Nachbarn berichteten von Demütigungen

„Er war überfordert“, sagte der Vorsitzende Richter. Olena J. habe alles in die Hand genommen, habe auch ein Bankkonto eingerichtet. Das gesamte Geld der Familie sei bei ihr gelandet – „ein Rollentausch erfolgte“. Edisher J. habe nun fragen müssen, wenn er mal zum Friseur wollte oder eine Kleinigkeit für sich brauchte. Die Frau habe ihm – „wenn überhaupt“ – Geld zugeteilt, sagte der Richter. Von den Demütigungen und Zuteilungen habe nicht nur der Angeklagte berichtet – „auch Nachbarn schilderten das“.

Hinzu kam die Enge. Die vierköpfige Familie habe in drei Containern gelebt – „extrem beengt“, stand für das Gericht fest. Für einen Rückzug sei kein Platz gewesen. Edisher J. sei so unzufrieden gewesen, dass er abreisen, zurück in die Heimat wollte. Er habe um Geld für die Fahrt gebeten. „Sie verweigerte es ihm immer wieder.“

J. hatte im Prozess erklärt, dass er in Berlin wieder als Lastwagenfahrer arbeiten wollte. Es gelang nicht. Sie bekamen Leistungen vom Jobcenter. Als ukrainische Staatsbürgerin habe seine Frau ohne weitere Prüfungen ein Girokonto erhalten, schilderte der Angeklagte. Die geänderte Situation habe ihn gedemütigt, gekränkt, frustriert, sagte er.

Am 1. Oktober vorigen Jahres eskalierte der Streit. Die Töchter, damals 17 und sechs Jahre alt, waren anwesend, als ihre Mutter attackiert wurde. Er stieß seine Frau auf ein Bett, holte dann ein Messer aus der Küche, stieß einmal in den Oberkörper. Olena J. starb noch am Tatort. Der nicht vorbestrafte Mann blieb, gestand – an den Stich allerdings könne er sich nicht erinnern – „eine Art Blackout“.

Ein psychiatrischer Gutachter sprach von einem „Tunnelblick“. Aus Sicht des Sachverständigen war es eine Tat im Affekt. Edisher J. sei in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen. Er habe sogar die Anwesenheit der beiden Töchter ausgeblendet.

Das Gericht entschied auf einen – juristisch – minderschweren Fall des Totschlags. Nach wiederkehrenden und sich steigernden Beleidigungen sei es zu der Tat gekommen – „bis das Fass überläuft“.

Die Staatsanwältin war nicht von einer Affekttat ausgegangen. Sie plädierte auf eine Strafe von zehn Jahren Haft. Das Gericht folgte im Wesentlichen dem Verteidiger, der vier Jahre und zwei Monate Haft beantragt hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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