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Das Denkmal mit Namen „Algorythmus für Burak und ähnliche Fälle“ wurde am 8. April 2018 eingeweiht.

© Madlen Haarbach

Ungeklärter Mordfall in Neukölln: Denkmal für Burak Bektas enthüllt

An der Rudower Straße wurde am Sonntag eine Gedenkfigur für den erschossenen jungen Mann und andere Opfer ungeklärter Morde enthüllt.

Wer tötete Burak Bektas? Diese Frage ist bis heute offen. Am 5. April 2012 wurde der 22-Jährige in Neukölln auf offener Straße erschossen, nach wie vor gibt es keine Ermittlungsergebnisse.

Sechs Jahre nach seinem Tod wollen Freunde, Angehörige und unzählige weitere Menschen an die Tat erinnern – und ihre Aufklärung fordern. Etwa 400 Menschen demonstrierten am Sonntag in Neukölln, mit ihren Schildern zeigten sie: Viele Fragen sind ungeklärt, zu viele. War Rassismus das Tatmotiv? War der Mord an Bektas eine NSU-Nachahmungstat? War es gar Rache für den Tod des Neonazi-Kaders Gerhard Kaindl, der genau 20 Jahre vor dem Anschlag auf Bektas bei einem politisch motivierten Angriff in Neukölln getötet wurde?

„Algorythmus für Burak und ähnliche Fälle“

Bektas stand in jener Nacht mit Freunden an einer Straßenecke nahe des Klinikums Neukölln. Ein unbekannter, weißer Mann feuerte wortlos und ohne Vorwarnung auf die fünf Jugendlichen, alle mit Migrationshintergrund. Bektas erlitt einen Lungendurchschuss und starb auf dem Operationstisch, zwei seiner Freunde wurden mit Notoperationen gerettet. Die Tat geschah so plötzlich, dass die Erinnerung der Zeugen nicht einmal für ein Phantombild reichte.

In unmittelbarer Nähe zum Tatort an der Rudower Straße wurde am Sonntag eine zwei Meter hohe, abstrakte Bronzeskulptur enthüllt. Sie soll ein Gedenkort sein - aber auch „eine unübersehbare Erinnerung daran, dass der Mord bis heute nicht aufgeklärt ist“, sagt Rolf Sommer von der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak.

Die Skulptur mit dem Namen „Algorithmus für Burak und ähnliche Fälle“ wurde von der im Dezember 2017 verstorbenen Künstlerin Zeynep Delibalta entworfen. Finanziert wurde sie aus Spendengeldern. Das Wort „Algorithmus“ soll darauf anspielen, dass neue Algorithmen, neue Lösungswege für den Fall gefunden werden müssten.

Die Initiative wirft den Ermittlern „Schlamperei“ und Intransparenz vor. Diesen Vorwurf weist die Polizei entschieden zurück: Jeden Stein habe man umgedreht, aber ohne Anknüpfungspunkte sei die Ermittlung schwierig, sagte der Pressesprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, kürzlich dem rbb. Ob in dem Fall weiter ermittelt wird, bleibt unklar.

Burak Bektas wird nicht vergessen

Aus Sicht der Aktivisten und der Familie ist hingegen klar: Alles deutet auf Rassismus als Tatmotiv hin. Und der Täter sei vielleicht derselbe, der dreieinhalb Jahre später den Briten Luke Holland vor einer Bar in Neukölln tötete – auch in diesem Fall wurde ein fremdenfeindlicher Hintergrund nie ausgeschlossen.
Nur: Im Falle Hollands ist der Täter gefasst und verurteilt. Für Bektas Angehörige bleibt nur die Ungewissheit. Auch unter den Demonstranten sind einige, die die Tat bis heute verunsichert. Was ist, wenn der Täter weiter durch Neukölln läuft? Wenn er vielleicht erneut zuschlägt, aus dem Nichts?

„Der Mord wurde von vielen in der türkischen Gemeinde als Zeichen gedeutet, dass wir hier in Berlin nicht wirklich willkommen sind“, sagt der türkische Generalkonsul Muhammet Mustafa Celik, der den Gedenkmarsch begleitet. Umso wichtiger sei es, dass an diesem Nachmittag so viele Menschen aller Nationalitäten, Hautfarben und Altersgruppen erschienen seien, um ihre Solidarität zu zeigen.

Der Platz an der Rudower Straße wurde vom Bezirksamt zur Verfügung gestellt – nach Auseinandersetzungen im Bezirksparlament. Die CDU argumentierte, dass die Tat zunächst aufgeklärt werden müsse, bevor ein Mahnmal errichtet werde. „Die Kritik ist mir unverständlich“, sagt Neuköllns Stadtrat für Stadtentwicklung und Soziales, Jochen Biedermann (Grüne). „Das Mahnmal sagt ja nicht: Das ist ein rassistischer Mord! sondern: Hier wurde ein Mensch getötet und bis heute ist die Tat nicht aufgeklärt.“

Bei der Enthüllung kommt es zu Drängeleien: Viele Menschen haben Blumen mitgebracht und wollen sie niederlegen. Viele tragen ein Foto von Bektas am Revers. „Wir wollen zeigen, dass seine Angehörigen in ihrer Trauer und Wut, aber auch in ihrem Kampf nicht allein sind“, sagt eine Sprecherin der Initiative. Vor allem aber: Dass Burak Bektas bis heute nicht vergessen ist.

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