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Unlösbare Probleme: Wie seriös sind die Winterdienste?

Wirtschafts- und Eigentümerverbände klagen über die Vorgabe bei der Beseitigung von Eisbildungen. Doch aus Sicht vieler Beteiligter steckt in Wahrheit eine ganz andere Frage dahinter – nämlich die, wie seriös die Winterdienstfirmen sind.

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Schnee und Eis erhitzen die Gemüter. An diesem Dienstag steht ein Krisengespräch zwischen Winterdienstfirmen und Wirtschaftsverbänden mit Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) an. Denn während die Verwaltung sowie Fachpolitiker von SPD, Linken und auch Grünen im neuen Straßenreinigungsgesetz keine gravierende Veränderung sehen, klagen Wirtschafts- und Eigentümerverbände – teilweise unterstützt von CDU und FDP – über nun unlösbare Probleme. Vordergründig geht es dabei um die neu ins Gesetz genommene Vorgabe, dass Eisbildungen beseitigt werden müssen. Aus Sicht vieler Beteiligter steckt aber in Wahrheit eine ganz andere Frage dahinter – nämlich die, wie seriös die Winterdienstfirmen sind.

Speziell die Firma, die von ihrem Vertrag für den Bezirk Reinickendorf und andere Bezirksgrundstücke fristlos zurückgetreten ist, dürfte sich nach Ansicht von Branchenkennern schlicht verzockt haben: Sie habe auf einen milden Winter gehofft und könne den jetzt nötigen Dauereinsatz nicht bewältigen. In ihrem Kündigungsschreiben ans Landesverwaltungsamt verweist die Firma allerdings auf „wesentliche Änderungen“ des Straßenreinigungsgesetzes zu ihren Lasten. Durch diese neuen Voraussetzungen sei die Grundlage für den Vertrag mit dem Land weggefallen. Aus Sicht des Landesverwaltungsamtes ein abwegiges Argument. Amtsdirektor Andreas Baumgart sagt: „Im Vertrag mit den Firmen sind sämtliche Inhalte des neuen Straßenreinigungsgesetzes drin.“ Zwar wurden die Verträge schon vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes geschlossen, aber die möglichen Varianten seien berücksichtigt worden. „Es steht sogar drin, dass Mehrbedarfe für die Beseitigung von Eisplatten extra bezahlt werden“, sagt Baumgart.

Dem Bezirk Reinickendorf entstehen jetzt Kosten, die später von der Firma eingetrieben werden sollen. Die Firma teilte am Montag mit, sie habe wegen der neuen Pflichten mit den Bezirken nachverhandeln wollen. Während sich Charlottenburg-Wilmersdorf darauf eingelassen habe, sei Reinickendorf dazu nicht bereit gewesen. Einer Klage der Verwaltung sehe man „mit Interesse entgegen“.

Nach Auskunft von Wirtschaftsstadtrat Martin Lambert (CDU) konnten nach mehr als 40 Absagen jetzt lokale Winterdienstleister gewonnen werden, die zusätzliche Grundstücke in der Nachbarschaft übernehmen. Diese „Insellösungen“ plus eigene Leute, etwa aus dem Grünflächenamt, sollen der Ausweg sein.

Die fristlose Kündigung ist offenbar stadtweit die Ausnahme. Aber auch andere Bezirksämter lassen eigenes Personal Schnee schippen, weil sie mit der Arbeit ihrer Winterdienstfirmen höchst unzufrieden sind. „Es wäre ja fatal, wenn wir selbst nicht hinkriegen, was wir von den Hauseigentümern verlangen“, sagt etwa der Charlottenburg-Wilmersdorfer Ordnungsstadtrat Marc Schulte (SPD). Sein Pankower Kollege Jens-Holger Kirchner (Grüne) bestätigt: „Die Ordnungsbehörden sind in einer blöden Rolle.“ Lompscher will mit der klaren Ansage in das heutige Krisengespräch gehen, dass die Firmen in der Pflicht sind.

Katja Heers vom Berliner Verband gewerblicher Schneeräumbetriebe sagt dazu: „Ich kann versichern, dass an der Qualität gearbeitet wird.“ Der Druck auf die Firmen sei schon deshalb gewachsen, weil Anwohner und Ämter viel genauer hinschauten und das Risiko von zivilrechtlichem Ärger steige. Viele Dienstleister hätten ihre Touren verkleinert, um öfter den Schnee fegen zu können und so die gefürchtete Eisbildung zu vermeiden.

Die Industrie- und Handelskammer steht auf der Seite der Schneeräumer, weil das Gesetz „die Vertragslage zulasten der Unternehmen verschoben hat“, wie IHK-Sprecher Bernhard Schodrowski sagt. Man erhoffe sich durch das Gespräch eine praktikablere Regelung.

Bei allem Lamento sind sich die Beteiligten einig, dass der Winterdienst insgesamt besser klappt als im Jahr zuvor. Und: Reden hilft. Das merkt insbesondere die BVG, die anfangs mit der Räumung ihrer Bushaltestellen unzufrieden war. Nachdem die dafür zuständige BSR ihre Subunternehmer zu mehr Sorgfalt ermahnt hatte, wird jetzt meist auf ganzer Buslänge geräumt. Auf den Hauptstraßen hat die BSR am Montag erst nach Ende des Schneefalls Salz gestreut – damit das zunehmend kostbare Auftaumittel nicht gleich bei der nächsten Runde in den Rinnstein gepflügt wird.

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