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Berlin: Unpünktlich, respektlos und ohne Teamgeist

Auch mit schlechten Noten gibt es Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Doch bei vielen Jugendlichen mangelt es am Sozialverhalten

In der Personalabteilung der Bäckerei Wiedemann hat man vor Hauptschülern kapituliert: „Wir haben das Projekt abgebrochen“, sagt Ruth Walig. Die Integration von schwer vermittelbaren Jugendlichen ohne oder mit schlechtem Hauptschulabschluss wird sich der „Ausbildungsbetrieb des Jahres 2005“ vorerst nicht mehr leisten. Alle vier Jugendlichen, die zu Bäckern oder Kassiererinnen ausgebildet werden sollten, erschienen nach einigen Tagen einfach nicht mehr. Ohne Begründung. Ruth Walig rätselt warum: „Die sind wohl nur wegen des Drucks der Eltern oder der Schule bei uns angetreten“, sagt sie. Da habe es einfach an der Arbeitseinstellung gefehlt.

Der jähe Ausstieg der Auszubildenden aus dem Arbeitsvertrag kostet das Unternehmen Zeit und Geld. Arbeitskleidung und Kassenschlüssel müssen wiederbeschafft, die eben erst ausgereichten Arbeitsverträge wieder gekündigt werden. Deshalb will man nun aus den selbstständig zugeschickten Bewerbungen die besten auswählen.

Eigeninitiative der Bewerber, so heißt es auch in der Berliner Handwerkskammer, könne manche schlechte Zeugnisnote kompensieren. „Nicht nur die schulischen Leistungen zählen, sondern auch Motivation und Arbeitseinstellung“, sagt Sprecher Wolfgang Rink. Das klingt nach Sonntagsreden, ist aber bei der Jobsuche in kleinen Betrieben oft entscheidend: „Da läuft sehr viel über den direkten persönlichen Kontakt im Kiez“, so Rink.

Aber auch im spontanen „Bewerbungsgespräch“ bei der Tischlerei um die Ecke überzeugten nur Jugendliche mit „soft skills“: Pünktlichkeit, Respekt, Teamfähigkeit zählen dazu. Nur: Diese seien bei vielen Schulabbrechern oder Abgängern der Hauptschule „nicht einmal ansatzweise vorhanden“, hört man bei der Kammer aus den Betrieben. Bei Vorstellungsgesprächen würden viele zuerst nach Lohn und Urlaubsanspruch fragen und einige auch mal die Füße auf den Tisch legen. Viele Hauptschüler vertun ihre Chancen allerdings schon früher: „Da werden Bewerbungsschreiben voller Fehler mit Eselsohren und Kaffeeflecken auf Blättern geschrieben, die aus einem Ringordner herausgerissen sind“, heißt es bei der Handwerkskammer.

Deshalb werden Jugendlichen mit schlechten Chancen nun „Einstiegsqualifikationen“ von der Industrie- und Handelskammer angeboten. Jährlich können 3000 Schüler ohne Berufsabschluss einige Monate lang in Berliner Betrieben arbeiten. „Da lernen sie grundsätzliche Dinge wie Pünktlichkeit und Arbeitsabläufe“, sagt Sprecher Holger Lunau. Die Erfahrungen sind aber ernüchternd: Nicht alle Stellen werden besetzt. Ähnliche Erfahrungen machen beide Kammern auch auf dem „Tag der Berufsausbildung“. Hier stellen sich jedes Jahr Betriebe aus über 100 Ausbildungsberufen vor. Allerdings kamen im Jahr 2004 nur 1200 von den 2700 eingeladenen Jugendlichen ohne Schulabschluss – obwohl alle als arbeitssuchend gemeldet waren.

Dabei ist zumindest statistisch das Angebot an Ausbildungsplätzen in Berlin kleiner als die Nachfrage: Den rund 18 000 bei den Kammern registrierten Stellen standen 2004 rund 32 000 Bewerber gegenüber. Bezeichnend außerdem: Obwohl rund 13 Prozent der Schulabgänger ausländische Jugendliche waren, betrug deren Anteil an allen Auszubildenden nur 4,5 Prozent. ball

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