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© dpa

Jahrestag des Mauerbaus: Unterm geteilten Himmel

Berlin im letzten Sommer vor dem Umbruchsjahr: Im Westteil herrschte Inselnormalität, im Ostteil stieg die Unzufriedenheit mit der SED-Politik. Aber weder auf der einen noch auf der anderen Seite ahnte jemand, dass die Mauer keine große Zukunft mehr hatte. Und dann spielte auch noch Michael Jackson.

Anfang August 1988 berichtete der Tagesspiegel von der bevorstehenden Fertigstellung des Uferweges am Teltowkanal zwischen Zahlendorf und Lichterfelde, Teil einer Wanderstrecke, die bis Tempelhof führen sollte. Das war kaum eine Nachricht von Ewigkeitswert, gleichwohl wirft sie ein charakteristisches Schlaglicht auf das West-Berliner Lebensgefühl vor 20 Jahren, einem Sommer der Inselnormalität. Denn die gab es ja, da mochten sich die Politiker zu den Jahrestagen des Mauerbaus pflichtschuldig entrüsten und das Ende der Teilung beschwören. Man gab ihnen beiläufig Recht – und ging zum Alltag über.

Und das hieß damals: zur unentwegten Feier- und Jubelstimmung. Der 750-Jahr-Trubel des Vorjahres war kaum verebbt, da holte man im Berliner Westen schon wieder die Fahnen hervor: Kulturstadt Europas! Partylaune ohne Ende – und es spielte dabei keine Rolle, ob das jeweilige Ereignis tatsächlich unter dem „E 88“-Logo dahergesegelt kam. Michael Jackson, Pink Floyd und der „Berlin Rock Marathon“ brauchten dieses Markenzeichen nicht, die Juni-Konzerte vor dem Reichstag lockten auch so – eine Wiederauflage der Vorjahresserie mit den Eurythmics, Genesis und David Bowie. Damals hatte es schwere Auseinandersetzungen zwischen Ost-Berliner Rockfans und Volkspolizisten gegeben, das war diesmal entspannter, nun gingen die Vopos vor allem gegen die West-Medien vor, die sich vorsorglich jenseits der Mauer postiert hatten.

Dann kam Bruce Springsteen, gigantisch erst auf der Radrennbahn Weißensee, im gewohnten Format danach in der Waldbühne. Auch das schien typisch fürs Mauergefühl. Politisch mochte es weiter ein Eiserner Vorhang sein, doch einer mit Löchern zum Durchschauen, die das Gefühl, eingeschlossen, abgeschnitten zu sein, linderten, erträglich machten wie das Idyll eines neuen Uferwanderweges. Die Mauer war nun mal da, es ließ sich, so schien es, nicht ändern, auf ihren Fall deutete ja auch nichts hin. So wurde eben das Kontrollratsgebäude aufwändig renoviert und eine Beschwerdestelle für Probleme mit den Alliierten eingerichtet. Kein Gedanke, dass diese einmal die Stadt verlassen würden.

Ein Ende der Teilung? Gewiss, am St. Nimmerleinstag. Vorerst war man zufrieden, dass sie bequemer wurde, wie ein zu enges Kleidungstück, dass beim Änderungsschneider passend gemacht wird. Zum Beispiel durch „Gelbe Engel“ auf Transitstrecken, oder durch nun möglichen privaten Geldtransfer gen Osten.

Fluchten gab es weiterhin, im umgebauten Mini, der im Haus am Checkpoint Charlie vorgestellt wurde – ein denkwürdiger Termin schon daher, weil Sylvester Stallone hereinschneite, der am Übergang abgewiesen worden war. Da hatten die Grenzer mal wieder Härte gezeigt, obwohl selbst sie sich mitunter zu wandeln schienen. Die fürsorgliche Behandlung der Republikflüchtlinge (West), die vom besetzten Lenné-Dreieck gen Osten geklettert waren, mochte man sich noch damit erklären, dass die Aktion der DDR ins Propagandakonzept passte. Aber als vier DDR-Bürger am Reichstag durch die Spree schwammen, wurde überraschend nicht geschossen. Allerdings, so zeigte sich später: Verlassen konnte man sich darauf nicht.

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