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Der Sonderbeauftragte des Berliner Senats im Fall Anis Amri, Bruno Jost.

© Britta Pedersen/dpa

Untersuchungsausschuss in Berlin: Wollte das LKA Sonderermittler Jost Amri-Akten vorenthalten?

Erneut hat Ex-Sonderermittler Bruno Jost im Amri-Untersuchungsausschuss ausgesagt. Er beklagte die "Laxheit" der Berliner Behörden bei dem Attentärer.

Von Sabine Beikler

Bruno Jost in ein Mann der klaren Worte. Das zweite Mal sagte der frühere Sonderermittler des Landes Berlin und frühere Bundesanwalt am Freitag im Amri-Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses aus. Dieses Mal war es in nichtöffentlicher Sitzung. Nach übereinstimmenden Aussagen soll Jost noch einmal die Pannen und die schlechte Ermittlungsarbeit beim Berliner Landeskriminalamt (LKA) benannt haben. Offenbar erhielt Jost, der den Umgang mit Amri bei den Behörden untersucht hatte, nur nach Intervention der Innenverwaltung die Akten beim LKA ausgehändigt.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) versicherte damals, dass Jost alle Einblicks- und Einsichtsrechte erhalten werde. Jost unterliege keinerlei Weisungen durch die Innenverwaltung, betonte Geisel im April 2017. Der Sonderermittler habe das Recht auf Einsicht in alle Akten, egal in welcher Form sie vorliegen, dies gelte auch für als „geheim“ gekennzeichnete Akten. Jost hat dem Vernehmen nach am Freitag deutlich gemacht, dass er sich über die „Laxheit“ der Berliner Behörden im Vergleich zu Baden-Württemberg, wo er unter anderem tätig war, bei der Ermittlungsarbeit schon sehr gewundert habe.

Als Jost im November 2017 vor dem Untersuchungsausschuss öffentlich ausgesagt hatte, machte er deutlich, dass man Anis Amri, der mit Drogen gedealt hatte, „auf frischer Tat beim Drogenhandel ertappen und festnehmen können“. Die Sicherheitsbehörden arbeiteten schlecht zusammen, Observation und Telefonüberwachung wurden nicht abgestimmt. Und die Observation wurde vom LKA trotz Beschlusses der Staatsanwaltschaft eingestellt. „Da fehlen mir die Worte“, hatte Jost damals gesagt. 

Eine Kriminalbeamtin berichtet von Messerattacke

Jost machte in seinem im Oktober 2017 vorgestellten Abschlussbericht dem LKA schwere Vorwürfe. Es hätten reelle Chancen bestanden, Amri in Haft zu nehmen. In fast allen Bereichen habe es „Fehler, Versäumnisse, Unregelmäßigkeiten oder organisatorische und strukturelle Mängel“ gegen, stellte Jost damals fest. 

Am Freitag sollten zwei weitere Zeugen im Untersuchungsausschuss aussagen. Die Polizeibeamtin T. ist Kriminalkommissarin seit 35 Jahren. Sie bearbeitet Straftaten ausschließlich in Kreuzberg und Rudow. Im Dezernat 33 geht es um Körperverletzungsdelikte, Bedrohungen, Beleidigungen, Waffendelikte, Leichen. „Ich bearbeite versuchten Flaschenwurf bis zur Meerstecherei, sofern sie nicht von LKA-Dezernaten behandelt wenden", sagte T.

Die Beamtin berichtete auch, wie sie mit dem späteren Attentäter Anis Amri zu tun bekam. Am 11. Juli 2016 habe es in der Shisha-Bar in der Hertastraße in Neukölln morgens um 5.30 Uhr eine körperliche Auseinandersetzung gegeben. Einem Mann, Herrn Z., wurde mit einem Messer in den Bauch gestochen. Er sei ins Krankenhaus gekommen, die Zeugen in Bar seien vernommen worden. T. habe sich ab dem 12. Juli mit dem Fall befasst. „Es gestaltete sich schwierig, da der Zeuge zunächst nicht vernehmungsfähig war“, sagte sie.  Man sei am 17. Juli ins Neuköllner Klinikum gefahren und habe Z. vernommen. Z. habe auch Namen genannt, darunter war auch ein später bekannt gewordener Aliasname von Amri.

Wieder wurden Ermittlungsstränge nicht zusammengezogen

Z. habe später auch die Täter auf Fotos identifizieren können. „Und dann habe ich die Akten weitergegeben“, sagte T. Sie habe auch nichts mehr davon gehört. Amri sei Mittäter bei einer gefährlichen Körperverletzung gewesen. „Damit habe ich mich befasst.“ Kontakt zur Staatsanwaltschaft habe sie in dem Fall nicht gehabt.

Sie habe dann am 31. August einen Vermerk vom LKA erhalten, dass die mutmaßlichen Täter identifiziert worden seien. Und sie habe vom LKA erfahren, dass Amri als Gefährder im islamistischen Bereich galt, der aber offenbar in die Drogenszene „abgerutscht“ worden sei. In dem Vermerk habe auch gestanden, dass der Oberstaatsanwalt F. von den Ereignissen in der Shisha-Bar Kenntnis habe. Als versuchtes Tötungsdelikt sei der Messerstich im Übrigen auch von Seiten der Kommissariatsleitung von T. nicht gewertet worden.

Die Kriminalkommissarin sagte aus, sie habe auch nicht vom LKA erfahren, dass man Amri möglicherweise "von der Straße bringen" wollte. "Ich war nicht über seinen Weg informiert." Das untermauert auch die bisherigen Erkenntnisse, dass sich die Behörden nicht gut ausgetauscht hatten und Ermittlungsstränge nicht zusammengezogen wurden, um einen Haftbefehl gegen Amri zu beantragen. Durch das Attentat von Amri kamen am 19. Dezember 2016 zwölf Menschen ums Leben.

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