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Von Tag zu Tag: Veredelte Lage

Stephan Wiehler wohnt ab jetzt ganz billig an repräsentativer Adresse

Den alten Maklerwitz kennen wir alle. Drei Kriterien sind entscheidend für die Bewertung einer Immobilie: Die Lage, die Lage – und die Lage. Wir haben freundlich mitgelacht, und dann statt der Eigentumswohnung doch lieber wieder nach etwas Günstigem zur Miete gesucht. Hell muss es sein, schön geschnitten, ruhig, aber szenig – also mittendrin und im Grünen. Und, bitte, bezahlbar.

Man kann sich die Lage auch schönreden. Das kostet gar nichts. Meine Frau hat kürzlich die neapolitanische Mutter einer Klassenkameradin unserer Tochter gefragt, wo sie denn wohne. „Tempelhof“, antwortete sie. „Oh, schön“, sagte meine Frau, „wo denn da?“ – „In der Nähe vom Tempelhofer Damm.“ Ja, der sei lang, erwiderte meine Frau. „An welcher U-Bahnstation denn?“ – „Boddinstraße.“ Meine Frau stutzte. „Aber das ist doch Nord-Neukölln.“ Die andere fühlte sich ertappt: „Naja, kann doch jeder selbst entscheiden, wo er wohnt.“ Das leuchtet mir ein. Ich lass mir neue Adressaufkleber drucken, Anschrift: Jagdschloss Grunewald, Schlesische Straße – wer wissen will, dass ich in Kreuzberg wohne, muss die Postleitzahl entschlüsseln.

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