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Viele Berliner leiden unter dem Straßenlärm.

© dpa

Verkehrslärm: Wie Berlin leiser werden kann

Die Gesundheit der Berliner ist durch den Straßenlärm in einigen Gegenden ernsthaft gefährdet. Kreative Bürger haben schon mehr als 2400 Ideen eingereicht, wie der Krach gemindert werden kann. Doch nicht für alle Probleme gibt es eine Lösung.

Beim Thema Krach hat die Verwaltung ein offenes Ohr für die Bürger: Noch bis Freitag läuft die Aktion „Berlin wird leiser – aktiv gegen Verkehrslärm“. Wie sehr das Thema die Berliner umtreibt, zeigen die mehr als 2400 online abgegebenen Vorschläge aus den ersten drei Wochen. Und die Umweltverwaltung verspricht, sich um jeden einzelnen zu kümmern. Doch nicht alle Probleme werden gelöst, und an manchen Stellen kann es sogar schlimmer werden.

Bernd Lehming, der beim Senat das Referat Immissionsschutz leitet, sieht vor allem nächtlichen Verkehrslärm als gigantisches Gesundheitsproblem: „Obwohl wir in den letzten drei Jahren schon 40 000 Menschen entlastet haben, sind immer noch mehr als 300 000 nächtlichem Verkehrslärm von mehr als 55 Dezibel ausgesetzt. Bei diesem Wert ist beispielsweise das Risiko für Bluthochdruck stark erhöht.“ Dabei sei egal, ob einen der Lärm stört oder man sich subjektiv daran gewöhnt hat.

55 Dezibel nachts und 65 am Tag gelten als kritische Grenzen für die Gesundheit. Bei jeweils zehn Dezibel mehr seien sogar schwere Gesundheitsschäden wie Herzinfarkte absehbar. Rund 60 000 Menschen wohnen an derart lauten Straßen. Ganz vorn liegen etwa Potsdamer Straße, Frankfurter Allee und Tempelhofer Damm, aber auch einige Wohnhäuser entlang der Stadtautobahn.

Dort sieht Lehming ein neues Problem kommen, wenn die Bahn in einigen Jahren die parallel zum Südring verlaufenden Fernbahngleise wieder in Betrieb nimmt. Etwa ein Dutzend Güterzüge pro Tag könnten dort fahren, je nach Auslastung der anderen Strecken, auf denen vor allem nachts ebenfalls immer mehr Güterverkehr durch die Stadt rollt. „Ein Güterzug schafft locker 90 Dezibel“, sagt Lehming. „Das wird etwa so laut wie die Flugzeuge am Kurt-Schumacher-Platz.“

Weil die seit Jahrzehnten ungenutzte Strecke formal nicht neu gebaut werde, gebe es keinen Anspruch auf Schallschutzwände. Und auf der Prioritätenliste der Bahn stehen noch viel problematischere Fälle, etwa die Ortsdurchfahrten im Rheintal.

Weniger Straßenlärm durch besseren Asphalt

Eine bessere Handhabe hat die Verwaltung gegenüber der landeseigenen BVG, die auch auf politische Veranlassung hin besonders leise Straßenbahnen und Busse kaufe und Klagen über Lärm „erfahrungsgemäß sehr gewissenhaft prüft“. Manchmal reiche es auch, eine Bushaltestelle einige Meter zu verlegen, damit Anwohner wieder ruhiger schlafen können.

Anders als bei der Luftqualität gibt es zum Lärm keine verbindlichen Grenzwerte, sondern nur die Vorgabe der EU, alle fünf Jahre einen aktualisierten Plan zur Minderung vorzulegen. Doch in der vergangenen Woche hat das Straßburger Parlament die Sache erschwert, indem es die Lärmvorgaben für neue Autos gelockert hat. Kritiker wie der Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer sehen darin einen Triumph der Autolobby über den Gesundheitsschutz. Auch Bernd Lehming sieht darin einen fragwürdigen Freifahrtschein für ohnehin laute Geländewagen mit ihren breiten Reifen. Deren Rollgeräusch dominiere im Stadtverkehr, weshalb die City auch durch Elektroautos kaum leiser würde.

Von den Bürgerhinweisen beziehen sich rund drei Viertel auf Straßenlärm. Der lässt sich laut Lehming vor allem durch eine neue Generation von Asphalt mindern, die seit drei Jahren getestet werde und als aktuell bestes Mittel gegen Straßenlärm gelte. Um vier Dezibel sinke der Wert gegenüber altem Asphalt – Krachmacher wie Schlaglöcher noch nicht eingerechnet. Am Beispiel von Tempo 30 erklärt Lehming: „Wo das eingehalten wird, sinkt der Lärmpegel um zwei bis drei Dezibel gegenüber Tempo 50. Subjektiv wird das bereits wie eine Halbierung des Verkehrs wahrgenommen.“

Ziel des Senats ist es, bis 2025 weitere 100 000 Berliner vom Lärm zu entlasten. Nicht immer ist das so einfach wie bei jenem Tippgeber aus Neukölln, der auf ein loses, schepperndes Blech an einer Brückenrampe hinwies. Es brauchte nur jemanden, der die Platte einfach festschraubt. Und einen, der darauf hingewiesen hat.
Den Lärmdialog der Umweltverwaltung finden sie hier.

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