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Berlin: Vioxx-Patient will Entschädigung

Brandenburger erlitt Lungenembolie. Über Jahre hatte er das umstrittene Medikament eingenommen

Werder/Havel - Ein Unfall auf der Skipiste: Es scheint kein schwerer Sturz zu sein, nur eine verunglückte Landung auf dem verlängerten Rückgrat. Dennoch beendet dieser Unfall im Februar 2000 das bis dahin normale Leben des Bauunternehmers Bernd R. aus Werder/Havel. Von nun an sind Schmerzen die ständigen Begleiter des heute 49-Jährigen. Es folgen Klinikaufenthalte und eine lebensgefährliche Lungenembolie. Bernd R. und seine Anwältin Bettina Theben glauben, dass die Lungenembolie vermeidbar gewesen wäre, wenn Bernd R. nicht jahrelang das Schmerzmittel Vioxx geschluckt hätte. Jenes Medikament, das der Hersteller Merck Anfang Oktober weltweit vom Markt nahm, weil es das Risiko von Thrombosen – also Blutgerinseln, die die Gefäße verstopfen können – erhöhe.

Bernd R. war ein passionierter Sportler. Doch er fällt so unglücklich, dass das Steißbein zertrümmert wird. Dies wird allerdings erst später klar. Der Bruch ist kompliziert: Erst nach acht Monaten wagt ein Chirurg eine Operation. Länger als ein halbes Jahr ist er da bereits auf schmerzunterdrückende Medikamente angewiesen. In der Rehabilitation stellen ihn die Ärzte auf Vioxx um, seit 1999 auf dem Markt. „Der Doktor meinte: Das ist das Beste auf dem Markt, magenschonend und mit den geringsten Nebenwirkungen.“

Anfangs genügten täglich 25 Milligramm des Vioxx-Wirkstoffs, doch später, als eine Arthrose die Kniegelenke von Bernd R. langsam zerstört, braucht er die doppelte Dosis. Immer öfter leidet R. unter Herzrasen, manchmal auch Herzschmerzen, die in den linken Arm ausstrahlten. „Doch die Ärzte fanden nichts.“ Dass Vioxx etwas damit zu tun haben könnte, glaubt damals niemand. Bernd R. ist noch immer nicht am Ende seines Leidensweges. Insgesamt operieren Ärzte sein rechtes Knie vier Mal, um die auf dieser Seite schwerere Arthrose in den Griff zu bekommen – vergebens. Schließlich versuchen sie es im Februar dieses Jahres mit einer anderen Methode, einer Spritze mit radioaktivem Material direkt in das geschädigte Knie. Danach muss R. drei Tage in der Klinik bleiben. Am Tag der Entlassung erwischt es ihn: eine Embolie in beiden Lungenflügeln. Bernd R. bricht zusammen, muss sieben Tage auf die Intensivstation und weitere anderthalb Wochen im Krankenhaus bleiben.

Seit jener Zeit ist er auf blutgerinnungshemmende Medikamente angewiesen, um eine Wiederholung der lebensbedrohlichen Attacke zu vermeiden. Doch dadurch gilt Bernd R. als Bluter. Sein Blut gerinnt schwer. Das mache eine Operation unmöglich, so dass er mit der Arthrose und den Schmerzen leben müsse, sagt er.

Als R. in den Nachrichten hört, dass der Hersteller Vioxx zurückruft, weil Studien ein erhöhtes Risiko von Thrombosen, Herzinfarkten und Schlaganfällen bei einer langfristigen Einnahme zeigten, spricht er sofort mit seiner Hausärztin – und schaltet eine Anwältin ein. „Mein Mandant überlebte wahrscheinlich nur, weil er ohnehin im Krankenhaus war und sofort intensivmedizinisch behandelt werden konnte“, sagt die Rechtsanwältin Theben. Sie hat gegen die deutsche Tochter des amerikanischen Vioxx-Herstellers Merck, MSD in Haar, Schadenersatz und Schmerzensgeld geltend gemacht. Die Chancen auf eine Rente stünden gut. Es gelte die Beweislastumkehr: Nicht der Geschädigte müsse nachweisen, dass die Thrombose durch Vioxx verursacht wurde, sondern die Firma, dass dieser Zusammenhang nicht besteht. Bernd R. hofft nun auf Schadenersatz. Auf Gesundheit hofft er nicht mehr. „Ich hatte geglaubt, dass irgendwann die Ärzte mit einer Operation meine Kniegelenke zumindest zum Teil heilen können“, sagt er. „Doch das ist wohl vorbei.“

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