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Berlin: Vom Gletscher hergeschoben, vom Bagger ausgehoben

Es gibt nicht besonders viel Bernstein in Berlin. Aber genug für eine Ausstellung, die ab heute im Ephraim-Palais zu sehen ist

Bernstein sucht man am besten am Ostseestrand. Oder in Berlin. Hier fand sich beispielsweise der 396 Gramm schwere Klumpen, den die Eiszeit aus Skandinavien südwärts schob. 40 Millionen Jahre lag der Harzbrocken in der Erde und versteinerte vor sich hin, während über ihm die Affen allmählich zu Menschen wurden und – später – Berlin bauten. 1999 schließlich kam die Bahn, grub ein Loch für den neuen Lehrter Bahnhof und holte den Brocken ans Licht. Ab heute sind er und über 100 Artgenossen im Museum Ephraim-Palais zu sehen. In einem Bröckchen sitzt gar eine dekorative Spinne.

„Berliner Bernstein – Großbaustelle Berlin gibt Schätze frei“, heißt die Ausstellung, die bis 29. Februar dauert und auf einen Wettbewerb unter den zurzeit 56 Berliner Goldschmiede-Lehrlingen zurückgeht. 25 Arbeiten wurden eingereicht, die jetzt neben den unbearbeiteten Rohlingen aus Berliner Bau- und Kiesgruben in den Vitrinen liegen. Es sind zumeist aufwändig gefertigte Schmuckstücke in frischem Design: Armreifen, Haarspangen, Ringe und Anhänger, die jedes Klischee vom Alte-Tanten-Klunker vergessen lassen. Die ersten Preise gingen an einen erstaunlich echt wirkenden Haarspangen-Käfer, einen Halsschmuck namens „Sonne und Mond“ und den mattsilbernen Armreif „Monbijou“ mit Tierköpfen aus Bernstein.

Den Rohstoff stellte größtenteils ein privater Sammler aus Neukölln zur Verfügung. Bevorzugte Jagdreviere des Schatzsuchers sind Kiesgruben in Gatow und im Grunewald, aber auch in den tiefen Baulöchern am Potsdamer Platz und am Lehrter Bahnhof war er erfolgreich. Beide liegen mitten im Berliner Urstromtal, durch das das Schmelzwasser nach der Eiszeit abfloss. Der Bernstein kam mit den Gletschern aus Nordeuropa – und blieb auf dem Grund des abfließenden Wassers liegen. Ein kommerzieller Abbau lohnt sich hierzulande aber nicht, sagen Fachleute.

Den Goldschmiede-Azubis soll der Sammler sein Material zum Sonderpreis von 50 Cent pro Gramm zur Verfügung gestellt haben. Dass Berlin eine gute Bernsteingegend ist, hat sich bisher kaum herumgesprochen. Bekannt ist es allerdings schon länger: Zur Ausstellung gehört auch eine Kiste voll mit Holzkohle vermischter Bernsteinkrümel, die beim Bau des Reichstagsgebäudes vor 120 Jahren sukzessive gefüllt wurde. Darin liegt überhaupt die Kunst: Bernstein liegt unscheinbar und stumpf zwischen Staub und Sand im Boden. Die auf Hochglanz polierten Steinchen gibt’s eben wirklich nur am Ostseestrand. Oder, wenn man richtig viel Glück hat, am Ufer der Havel zwischen Kladow und Spandau.

Bernstein-Ausstellung im Ephraim-Palais, Poststraße / Ecke Mühlendamm. Bis 29. Februar, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr.

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