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Kräuter, Knoblauch, scharf. Erkan Emre (links) ist am Kottbusser Tor aufgewachsen und überzeugte den Stuttgarter Koch Michael Stark davon, das Gericht seiner Berliner Heimat in New York groß herauszubringen.

© Martin Pieck

Vom Kottbusser Tor nach Brooklyn: Döner in Big Apple

Ein Deutschtürke macht den New Yorkern Lust auf Kebab nach Kreuzberg-Art. Dazu gehört neben dem Döner im Brot auch Club Mate.

Erkan Emre guckt verträumt auf die Skyline vor sich. Auch 20 Jahre nachdem er Berlin für New York City verließ, ist der Familienvater überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Seinen Kiez am Kottbusser Tor aber hat der Deutschtürke bis heute nicht vergessen. Besonders eines ließ ihn nie los: Die Erinnerung an den Berliner Döner, eines der wenigen Gerichte, die er im Big Apple nicht bekam. Also beschloss Emre vor drei Jahren, den Döner nach New York zu bringen.

So richtig überzeugt war sein Freund Michael Stark zunächst nicht, als Emre ihm von der Idee erzählte. Stark kommt aus Stuttgart, hat als Koch bereits in Robert De Niros berühmtem New Yorker Restaurant Tribeca Grill gekocht. Döner kannte er nur vom Hörensagen. Seine Meinung änderte sich schlagartig als Emre ihn spontan einlud, mit ihm nach Berlin zu fliegen und auf Dönerprobe zu gehen. Zwölf Stunden und sieben Buden später war Stark dabei. „Das Gericht ist simpel und leicht zuzubereiten.“

Erkan Emre kam als Backpacker nach New York und verliebte sich in die Stadt. Aus drei Monaten wurden 20 Jahre, in denen er an einer renommierten Architektenschule studierte, als Architekt und später in der Immobilienbranche arbeitete – eine berufliche Laufbahn, die er in Berlin wohl nicht gegen ein Leben am Dönerspieß getauscht hätte. Doch da war er nun, mitten in New York City, und tüftelte mit Michael Stark mehr als ein Jahr lang an Rezepturen. Eine der ersten Entscheidungen der Unternehmer war die gegen einen Tiefkühler. „Wir nutzen nichts Gefrorenes und bereiten das meiste selbst frisch zu.“

14 Dollar kostet ein Döner

Das Konzept traf schnell einen Nerv im hippen Brooklyn. Junge New Yorker strömen hier zu Tausenden auf die Streetfood-Märkte, um sich durch Spezialitäten aus aller Welt zu probieren. Den ersten Erfolg feierten Emre und Stark auf dem beliebten Smorgasburg Food Market. Mehr als 1000 Gastronomen bewarben sich, Kotti-Döner ergatterte einen der 24 ausgeschriebenen Standplätze.

14 Dollar kostet ein Döner bei Erkan Emre und Michael Stark. In der Weltstadt ist man diese Preise gewohnt, außerdem ist der Kotti-Döner ein Lifestyleprodukt: Auf füllendes Hackfleisch wird verzichtet. Statt Lamm- oder Kalbfleisch gibt es ausschließlich Hühnchen – antibiotikafrei und aus regionaler Freilandhaltung. Der Spieß wird, gut sichtbar für die Kunden, für eine besondere Geschmacksnote mit einem Thymianzweig eingerieben.

Um zu testen, ob sie den Geschmack der Amerikaner richtig einschätzen, veranstalteten die beiden Männer anfangs ein Testessen für 500 Leute in einer Mietküche. Die Gegenleistung für kostenlose Döner: das Ausfüllen von Fragebögen, mit deren Hilfe die beiden Gründer weiter an den Rezepten feilten. Dabei kam unter anderem der Döner-Burger im Laugenbrötchen heraus – eine Hommage an die süddeutsche Herkunft des Kochs und eine Anspielung auf das, was sich Amerikaner unter typisch deutschem Essen vorstellen. Der Renner ist und bleibt aber der klassische Döner Kebab.

"Wir wollen eine Kette schaffen"

Und trotz aller Anpassung sollte das Kotti-Feeling so authentisch wie möglich bleiben. Dazu gehört neben dem Döner im Brot auch Club Mate. „Wir hatten Glück. Die Marke hat schon einige Kunden in New York und so können wir uns an den Importen beteiligen.“ Das Konzept kommt an. Amerikaner lassen sich auf das kulinarische Experiment ein und deutsche Urlauber und Auswanderer kommen aus der ganzen Stadt, um ein Stück Heimat in der Ferne zu genießen.

Das Ziel der Kotti-Männer ist ambitioniert. „Wir wollen eine Kette schaffen, mit New York fangen wir an.“ Binnen neun Monaten haben sie neben dem Stand in Smorgasburg einen weiteren in der Industry City, einer Halle voller Imbisse, eröffnet. Nummer drei folgte vor zwei Wochen in Downtown Brooklyn. Zwischenbilanz: drei Läden, 20 Angestellte. Jetzt will Erkan Emre sich auch an Döner-Catering heranwagen.

Seine Heimat hat Emre auch nach 20 Jahren nicht vergessen : „Ich liebe Berlin, aber so richtig heimisch gefühlt habe ich mich in Deutschland nie. Das war in New York von Anfang an anders.“ Emre fand in Big Apple sein Glück, nachdem er Deutschland verlassen hatte, wie sein Vater einst die Türkei hinter sich gelassen hat. Den richtigen Kotti in Kreuzberg vermisst er hin und wieder – zumindest so lange, bis er an seinem Dönerstand steht und von Brooklyn aus auf die Skyline der Stadt blickt, die er ein klein wenig deutscher gemacht hat.

Martin Pieck

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