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17. August 2021, Mehringdamm Ecke Tempelhofer Ufer. Sieben Wochen nach dem Unfall von Marcus Schoft wird ein Radlieferant schwer verletzt.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Von Lkw überrollt: Gleich zwei Radfahrer an derselben Berliner Kreuzung überfahren

„Dieser Unfall könnte jedem passieren“: Marcus Schoft wurde von einem Rechtsabbieger gerammt. Im Krankenhaus las er von einem ähnlichen Unfall am selben Ort.

"LKW-Fahrer rammt Radlieferanten am Mehringdamm"– diese Meldung vom 17. August machte Marcus Schoft stutzig. Der 32-Jährige las sie im Krankenhaus, in das ihn vor sieben Wochen ein ganz ähnlicher Zusammenstoß gebracht hatte.

Er passierte sogar an derselben Ecke. Ganz wie damals wollte der Mann auf dem Rad geradeaus zur Brücke, während der Lasterfahrer das Steuer nach rechts in Richtung Tempelhofer Ufer einschlug. Die Polizei schrieb von „schwersten Beinverletzungen“. Schon im August 2017 war eine 21-Jährige dort von einem Lastwagen gerammt und schwer verletzt worden.

"Es war wohl nicht einfach nur eine Unaufmerksamkeit", sagt Marcus Schoft über seine Rolle bei der Kollision vom 29. Juni. „Dieser Unfall könnte jedem Radfahrer passieren“, ist er sich sicher.

Seit mehr als sieben Wochen liegt er nun im Krankenhaus, hat die Intensivstation hinter sich, das Unfallklinikum und steckt nun in der Früh-Rehabilitation. Den Laster habe er erst an der Kreuzung sehen können, und da lag er auch schon mit dem linken Bein unter dem rechten Vorderrad. Zerquetscht, gesplittert und mehrfach gebrochen.  

Die Strecke am Mehringdamm kannte der passionierte Radfahrer und Pressereferent gut. An die 10.000 Kilometer fahre er im Jahr, viel durch die Innenstadt. Am Mehringdamm folgte er dem Radweg, der kurz vor der Kreuzung wegen einer Rechtsabbiegerspur auf den Bürgersteig verschwenkt.

Kurzvideo eines Radfahrers Mehringdamm Ecke Tempelhofer Ufer:

Mehringdamm Ecke Tempelhofer Ufer. Neben der Rechtsabbiegerspur sind Parkstreifen und Radweg auf dem Bordstein zu erkennen.
Mehringdamm Ecke Tempelhofer Ufer. Neben der Rechtsabbiegerspur sind Parkstreifen und Radweg auf dem Bordstein zu erkennen.

© Google Earth Pro

Wie eine Wand versperrten die vielen parkenden Autos zwischen Fahrspur und Radweg den Blick. Marcus Schoft konnte den Lastwagen nicht sehen, erzählt er. Auch dessen Fahrer fehlte wohl die Sichtbeziehung zu ihm. Ein Abbiegeassistent war wohl nicht vorhanden. Exemplarisch sei diese Ecke für so viele gefährliche Kreuzungen Berlins, meint Schoft. Wohl dreimal hätte er sich überlegt, ob er wirklich einen Laster kurz vor der Kreuzung überholen sollte, wenn er ihn denn hätte sehen können.

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Über die Umgestaltung gefährlicher Kreuzungen wird seit dem Mobilitätsgesetz von 2018 in Berlin diskutiert, geschehen ist bislang wenig. Sogenannte Fahrradweichen aus Farbmarkierungen auf dem Asphalt haben viel Kritik hervorgerufen, da die Radfahrenden den fließenden Verkehr zur Geradeausfahrt kreuzen müssen. Einen großen Schritt weiter geht man in den Niederlanden, wo geschützte Kreuzungen mit getrennten Verkehrsströmen und kleinen Verkehrsinseln mehr Sicherheit und Übersicht geben sollen.

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Skizze der baulichen Trennung der Verkehrsströme nach holländischem Vorbild.
Skizze der baulichen Trennung der Verkehrsströme nach holländischem Vorbild.

© Rita Böttcher/Tagesspiegel

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An dieses Modell will sich Berlin mit zwei Versuchen herantasten, einer davon am Platz der Vereinten Nationen in Friedrichshain. Allerdings gehen die Meinungen über eine Schutzwirkung hierzulande stark auseinander.

Andere Länder haben sich längst das niederländische Design abgeschaut, unten ein Beispiel aus Chicago. Durch die Verkehrsinseln können rechtsabbiegende Autofahrer die Radspur nicht schneiden. Sie müssen erst um die Verkehrsinseln herumfahren und stehen dann annährend im rechten Winkel zum Radverkehr.

Geschützte Kreuzung in Chicago, 2017. - Foto: Erica Fischer (CC: BY 2.0)
Geschützte Kreuzung in Chicago, 2017. - Foto: Erica Fischer (CC: BY 2.0)

© Erica Fisher

„Ich bin frohen Mutes, dass ich wieder laufen kann“, sagt Marcus Schoft. In zwei Wochen soll die Reha beginnen. Ob er wieder aufs Rad steigt, falls es sein Körper wieder zulässt, weiß er nicht. Der Schock sitzt tief.

Es sei immer viel Glück im Spiel, wenn solche Unfälle nicht im Tod enden, oder mit bleibenden Schäden, sagt er. "Ich hoffe wirklich, dass auch der Radlieferant wieder ins Leben findet."

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