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Berlin: Von Tag zu Tag: Enttarnt

Die Jungens hatten sich Mühe gegeben, glichen sich wie ein Ei dem anderen, jedenfalls obenrum. Vielleicht hatten sie für ihre Tarnhemden sogar Mengenrabatt bekommen.

Die Jungens hatten sich Mühe gegeben, glichen sich wie ein Ei dem anderen, jedenfalls obenrum. Vielleicht hatten sie für ihre Tarnhemden sogar Mengenrabatt bekommen. In der U-Bahn waren sie unterwegs, Versprengte der Liebesparade oder genau dorthin unterwegs, egal. Denn Nachzügler waren sie auf jeden Fall, man musste sich auf der Marschstrecke nur ein wenig umsehen. Camouflage-Mode? Kosovo-Look? Nicht mehr beim Hopsassa am Großen Stern.

Das Geiseln jener Geschmacksrichtung, die die Tarnfarben des Todes zum dekorativen Trend erhob, kann man sich also sparen. Offenbar verblasst sie schon wieder. Ohnehin, hat ein Stil erst die Kleiderstangen der Billigsortimenter erreicht, ist es um ihn bald schon geschehen. Überflüssig also, mahnend den Finger zu erheben und die Brüchigkeit der modernen Zeit, ihre innere Widersprüchlichkeit noch in modischen Details anzuprangern. Zur Liebesparade im Military-Outfit, Eros und Thanatos auf Teufel komm raus vereint - das schafften noch die Jecken der letzten Karnevalssaison, die Berliner Liebesdiener aber waren längst darüber hinaus. Ohnehin, wozu sich über derlei aufregen? Fragwürdige Moden gab es schon früher, auch sie verwelkten rasch, und die Welt steht immer noch. "Give peace a chance", so sangen sie vor drei Jahrzehnten mit John und Yoko und malten sich das Friedenssymbol mit Vorliebe auf ihre Bundeswehr-Parkas. Denn das war damals die Farbe der Liebe, des Friedens: Nato-Oliv.

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