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Ernste Absichten. Thälmann war Trauzeuge der Zeremonie. Foto: dapd

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Von Tag zu Tag: Ernst des Lebens

Stephan Wiehler über Kommunisten und ihre bürgerlichen Rituale.

Berlin ist die Hauptstadt der politischen Vielfalt. Ihre bizarren Lebensäußerungen lassen sich nicht ins Regierungsviertel oder im Roten Rathaus einhegen. Um Extremisten nicht zu provozieren, hatte Bundesbauminister Peter Ramsauer unlängst vorgeschlagen, die letzten Reste der DDR-Ikonen aus dem Stadtbild zu tilgen. Am liebsten sähe er Marx und Engels wohl bei den Ruinen des zerschlagenen Lenin-Denkmals in den Müggelbergen ruhen, nicht anders als Ernst Thälmann, der in Prenzlauer Berg noch immer stolz die Arbeiterfaust gegen die Ausbeutung ballt.

Der Vorstoß des CSU-Mannes zur Befriedung der politischen Landschaft hat am Wochenende neue Aktualität erlangt. Denn am Sonnabend missbrauchte ein deutsch-schottisches Liebespaar die Thälmann-Skulptur als Kulisse für ein sehr bürgerliches Ritual und lud die „lieben Genossinnen und Genossen“ zu einer freien Trauung am Denkmal ein. Sie ganz in Weiß, er im Schottenrock, vereint in glühender Bewunderung für den alten KPD-Führer und Vorkämpfer für die Sowjetherrschaft in Deutschland.

Ernst Thälmann haben sie’s geschworen – es wäre interessant zu erfahren, ob sich das Brautpaar die Treue hält. Und, ob andere dem Beispiel folgen und auf dem tristen Platz nun eine neuartige Kultstätte für große Versprechen entsteht. Das Denkmal zu schleifen, soll Gerüchten zufolge übrigens schwierig sein, weil eine Gasleitung durch das Fundament führt. In Prenzlauer Berg hängt die Daseinsvorsorge also immer noch irgendwie am alten Thälmann.

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