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Berlin: Von Tag zu Tag: Mauerfanfaren

In E.T.

In E.T.A. Hoffmanns Roman "Die Elixiere des Teufels" findet sich neben allerlei religiöser Tiefgründelei auch der Disput zweier Mönche über den Sinn und Unsinn von Reliquien. Der Ältere hat dazu eine alles andere als orthodoxe, doch pragmatische Meinung. Ihren subjektiven Wert lässt er gelten, räumt aber ein, dass das Holz aller angeblich aus dem Kreuze Jesu stammenden Splitter wohl für mehrere Kreuze reichen müsste.

Was das mit Berlin zu tun hat, werden Sie fragen. Gewiss, der Zusammenhang leuchtet nicht unmittelbar ein, ihm soll hier gar nicht weiter nachgespürt werden. Aber irgendwie schwebte die Erinnerung an das längst verblasste Leseabenteuer durch den Raum, als die Berliner Tourismuszentrale gestern zu neuen Siegesmeldungen in die Fanfare stieß: 1000 Dosen Berliner Luft an den Mann oder die Frau gebracht, dazu 5000 Bären und sogar - wir erzittern fast vor Ehrfurcht - 10 000 Mauerstücke.

Natürlich könnte der Tourist jetzt Echtheitszertifikate verlangen, das würde aber den Preis nur in unangemessene Höhen treiben, also letztlich dem Umsatz schaden. Halten wir es lieber wie die beiden Mönche: Aus welcher Mauer so ein Betonbröckchen auch stammen mag - Hauptsache, es ist bunt und kräftigt den Glauben.

Fragt sich nur, was wirklich als Berliner Luft durchgehen kann: Der Muff in feuchten Hinterhöfen, jahrzehntelang gut konserviert? Jederzeit. Die Abgaswolken vom Kurfürstendamm, fein abgestimmt mit Friedrichstraße und Unter den Linden? Ebenso. Aber die frische Brise von der Küste, die kurz durch die Straßenschluchten fegt? Husch, weg ist sie, und der Deckel war wieder nicht rechtzeitig zu.

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