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Von Tag zu Tag: Nur Probanden

Bernd Matthies lässt sich durch die U-Bahn-Werbung verwirren

Achtung, Nostalgie! „Und der Orje sprach zu Kulle/haste nich ne Paechbrot-Stulle?“ Manch Eingeborener mag sich noch daran erinnern, wie bei der BVG so schlicht und klassisch geworben wurde. Das gibt es heute kaum noch. In den U-Bahn-Inseraten werden keine Kunden mehr gesucht, sondern nur noch Probanden. Gesunde Menschen, kranke Menschen, Menschen mit zu weichem Stuhl und anderen Darmproblemen, Diabetiker Typ I und II, schwangere Frauen mit und ohne Übergewicht, hohem oder niedrigem Blutdruck, kurz: nahezu sämtliche Menschen, die nicht ohnehin schon im Krankenhaus liegen.

Diese verbissene Suche nach Versuchskaninchen hat was leicht Morbides. Der Eindruck mag trügen – aber in den Nahverkehrszügen anderer Weltmetropolen gibt es so etwas praktisch nicht. Anscheinend ist Berlin auf dem Weg zur internationalen Pharma-Hochburg; tendenziell wird es darauf hinauslaufen, dass sich der überwiegende Teil der Einwohner auf eine Karriere als Proband einrichtet, montags Kontrazeptiva, dienstags Darmspiegelung, mittwochs Stimmungsaufheller . . . So war das mit der Dienstleistungsmetropole eigentlich nicht gedacht.

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