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Von Tag zu Tag: Phrasenmäher

Stefan Jacobs ließ es sich nicht nehmen, eine Woche lang Floskeln zu sammeln.

Wieder eine Woche geschafft, ohne dass der Tropfen auf dem heißen Stein das Fass auf dem steinigen Weg am Ende des Tunnels zum Überlaufen gebracht hat.

Die Woche hatte ja mit einer klitzekleinen Plagiatsaffäre begonnen: Die Grüne Ramona Pop hat Textbausteine ihrer Rede abgekupfert, mit denen sie Klaus Wowereit im Parlament beworfen hat, auf dass er stürze! Und wo? Bei der Schwarzen Julia Klöckner, als die im August Kurt Beck nach dem Amt trachtete! Aufgedröselt hatte das ein Nachwuchspolitiker in Herxheim in der Pfalz, wo am vergangenen Wochenende offenbar überhaupt nichts los (jewesen) war, womit sich 21-jährige CDU-Talente sinnvoller hätten beschäftigen können. Und Pop hatte angesichts der ähnlichen Textpassagen selbstkritisch erklärt: „Da sieht man, welche Phrasendreschmaschine die Politik ist.“

Wir haben die Maschine mal auf Herz und Nieren geprüft: EKG, MRT, MPU. Ergebnis: Sie läuft auf Hochtouren und zernudelt dabei vieles, aber nicht alles. Besonders versiert weiß Matthias Platzeck sie zu bedienen, der nach der Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft am Mittwoch wissen ließ: Man werde das Unternehmen gemeinsam aus dem schweren Fahrwasser herausführen, ziehe an einem Strang und müsse zu einem verlässlichen und erfolgreichen Fahrplan kommen. Hier hat die Maschine eine kleine Unwucht, denn erfolgreiche Fahrpläne sind fast so selten wie planreiche Erfolgsfahrten. Aber da die ersten Weichen für die Neuausrichtung gestellt sind, kriegt Platzeck das mit dem Fahrplan vielleicht noch hin.

Am Donnerstag kam allerdings kurzfristig eine Rangierfahrt der Berliner SPD dazwischen: Die Herren Wowereit, Saleh und Stöß präsentierten ihr Zukunftspapier. Die Partei habe sich in weiten Teilen neu aufgestellt, heißt es da. Auch müsse „der Kernbestand an öffentlicher Daseinsvorsorge auch unter dem Druck des noch vor uns liegenden Konsolidierungspfades geschützt werden“. Stunden später erwiderte die Grünen-Landeschefin Bettina Jarasch dem vom Druck des Konsolidierungspfades gebeugten SPD-Trio, dass es damit „bei uns offene Türen einrennt“. Wowereit eroberte die Hoheit über die Allgemeinplätze umgehend zurück, indem er anlässlich der Grünen Woche mitteilte, die Forderung nach Transparenz bei der Erzeugung von Lebensmitteln sei ein Gebot der Stunde.

Das galt jedoch nicht für die Aktuelle Stunde am selben Nachmittag im Abgeordnetenhaus. Auf Antrag der CDU wurde über die Finanzlage der Stadt debattiert. Bei so einem Thema möchte man schon vor der ersten Rede den Warnhinweis an die eingerannten Türen kleben: Kann Spuren von Worthülsen enthalten. Tatsächlich schlug das Phrasometer immer wieder an: „…haben Politik gestaltet … Geheimnis dieses Erfolges … noch einen schwierigen Weg vor uns … dürfen in unseren Anstrengungen nicht nachlassen … auf Verschleiß fahren … Schlagzahl bei der Schulsanierung erhöhen … lassen die Mieter nicht im Regen stehen … Zukunftsfähigkeit unserer Stadt … Einnahmeseite in den Fokus gerückt … Krokodilstränen …“

Das musste man sich erst mal ein Stück auf der Zunge zergehen lassen, um Finanzsenator Nußbaum aus derselben Debatte zu zitieren. Das Treppchen eroberte mit acht Phrasenpunkten CDU-Haushälter Christian Goiny, gefolgt von seinen Pendants Jochen Esser (Grüne, sechs Punkte) und Torsten Schneider (SPD, fünf Punkte). Das zahlenschwere Sperrgut, das die Linke Manuela Schmidt am Rednerpult ablud, war immerhin metaphernfrei wie auch die Rede des Piraten Heiko Herberg, die je nach Wohlwollen erfrischend oder naiv bzw. erfrischend naiv war. Leider musste der Präsident ihn für die Verwendung des Wortes „Arsch“ rügen. Der Begriff sei unparlamentarisch.

Am anderen Ende der rhetorischen Drechselbank befand sich der Finanzsenator, der neben drei regulären Punkten einen Bonuspunkt erhält. Diesen gibt’s für den Satz, die Aufbauhilfen Ost würden „dramatisch abwachsen“. Das kennt zwar der Duden nicht, aber es klingt irgendwie nach Einstecktuch und Bentley. Den will er sich gewiss nicht nehmen lassen.

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