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Berlin: Von Tisch zu Tisch: Chateau 105 in Grünau

Das wird heute für die meisten Leser ziemlich weit draußen liegen. Da die Frage sowieso kommt, kann ich sie ja auch gleich am Anfang beantworten: Es lohnt sich, weiterzulesen, es lohnt sich, den Weg nach Grünau in Angriff zu nehmen.

Das wird heute für die meisten Leser ziemlich weit draußen liegen. Da die Frage sowieso kommt, kann ich sie ja auch gleich am Anfang beantworten: Es lohnt sich, weiterzulesen, es lohnt sich, den Weg nach Grünau in Angriff zu nehmen. Und zwar für alle, die unaufdringliche Professionalität höher schätzen als große kulinarische Gesten. Und es lohnt sich für alle, die sich für guten Wein begeistern, egal, woher er kommt.

Das "Chateau 105" so viel muss klar sein, ist kein Schloss. Es hat nicht einmal einen Garten, nur ein paar Tische auf der Straße. Drunten im Souterrain eines alten Backsteinhauses sitzt es sich dennoch angenehm, sofern man den engen Kontakt mit Kasse, Brotschneidebrett und Weinregalen nicht scheut, und auch sonst ist nicht viel Platz: Es reicht gerade für den Chef und die Köchin, die, beide streng in Schwarz gekleidet, durch die Gegend wuseln und hinten wie vorn nichts anbrennen lassen.

Das Essensangebot ist wirklich winzig: Fünf Gänge für 85 Mark, die auch einzeln verkauft werden, dazu noch zwei oder drei weitere Gerichte auf einer Tafel, meist unter 30 bis maximal 34 Mark. Und alles schmeckt wirklich gut: sämig-aromatische Gurken-Fenchel-Suppe mit Shrimps, Nudeln mit mediterranen Gemüsen und Parmesan, knusprige Entenbrust mit Orangen-Lauch und Grand Marnier, die Kombination von gebratenem Wels und Viktoriabarsch auf einem Kartoffel-Gemüseragout in Sellerie-Weißweinsauce, Reis Trautmannsdorff. Kräftige Aromen, leichte Saucen, richtige Garzeiten, modern angerichtet, viel Gegenwert fürs Geld. Vermutlich hätte uns auch das Geflügelleber-Parfait mit Kürbiskernen geschmeckt, aber es war nicht rechtzeitig fertig - die Tücken eines Zwei-Mann/Frau-Betriebs. Aber so etwas ist hier vermutlich eher die Ausnahme.

Das allein wäre für die Gegend schon eine Rarität, doch die richtige Rundung bringt erst das Weinprogramm. Hier ist einer herumgekommen und kennt sich aus. Und deshalb gibt es nicht die sattsam bekannten Siegerweine vom Großhändler, sondern eine höchst individuelle Kollektion, die allein schon den Besuch lohnt: wechselnde Angebote, etwa Südafrikaner (z.B. Saxenburg), grüner Veltliner, der rote "La Segreta" aus Sizilien von 9 bis 13 Mark pro 0,2 Liter, dazu noch eine große, freundlich kalkulierte Flaschenkarte mit Weinen vom sächsischen Bio-Gut Hoflössnitz, vom Franken-Star Horst Sauer, mit gehobenen Österreichern von den Freien Weingärtnern Wachau, mit Hirschprunn und Jermann, mit Schug, Lehmann, Yalumba, Errazuriz und anderen aus Übersee.

Genau das sind die Sachen, für die unsereiner durch die Stadt pilgert, zumal die Flaschen hier auch außer Haus verkauft werden. Das Haus rühmt sich auch für sein großes Zigarrenangebot, zu dem ich als Nichtraucher mangels Kompetenz lieber nichts sage; wir wurden jedenfalls von niemandem eingenebelt.

Ein auffällig junges Publikum hat das alles für sich entdeckt und lässt eine Tischbestellung zumindest am Wochenende ratsam erscheinen. Kleiner Minuspunkt: Wirklich schade ist, dass der Betrieb gerade am Sonntag ruht. Dann hätten vielleicht auch die Bewohner weiter entfernter Bezirke Zeit, sich das ausführlich anzusehen.

Restaurantkritiker sollten sich anscheinend nicht als Propheten betätigen. Die stabile und erfolgreiche Phase, die ich für die Küche des "Harlekin" im Esplanade-Hotel kürzlich kommen sah, ist nämlich jetzt abrupt zu Ende gegangen: Küchenchef Marco Müller hat gekündigt, das Restaurant ist geschlossen - bis einschließlich August, wie es heißt. Wir sind mal wieder gespannt ...

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