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Ein Mann wollte nach oben. Wegen Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit dem Luxusresort Schwielowsee wurde gegen Axel Hilpert Anklage erhoben. Foto: Nestor Bachmann/dpa

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Vor dem Prozess gegen Hilpert: Angst vor der Enthüllung

Landespolitiker erwarten gespannt das Verfahren gegen Axel Hilpert. Der Betreiber des Schwielowsee-Resorts hatte Kontakt zu vielen Entscheidungsträgern

Potsdam - Es war ein paar Tage vor der Verhaftung. Axel Hilpert, 63, Hotelbetreiber des Resorts Schwielowsee, drehte in Potsdam auf dem Feinkost-Wochenmarkt am Nauener Tor seine Einkaufsrunde. An einem Stand tat er plaudernd kund, was er von Brandenburgs rot-roter Regierung hält, nämlich nicht viel: „Brandenburg ist noch nie so schlecht regiert worden wie jetzt.“ So sprach ein Mann, der sich auskennt im kleinen Politikbetrieb hier, obenauf, einer der sich sicher wähnte, der glaubte, ihm könne keiner . So sah es aus, bis am 9. Juni die Handschellen klickten.

Seit vier Monaten sitzt Hilpert in Untersuchungshaft. Potsdams Staatsanwaltschaft hat jüngst Anklage wegen besonders schweren Subventionsbetruges erhoben. Er soll die Investitionskosten für die Hotelanlage südlich der Landeshauptstadt im Kreis Potsdam-Mittelmark um knapp zehn auf 35 Millionen Euro künstlich nach oben gerechnet haben, um höhere Fördermittel zu kassieren, eine kreative Akquise von fehlendem Eigenkapital aus der Staatskasse. Hilpert ließ jeden Betrug bestreiten. Eine Freilassung auf Kaution wurde abgelehnt, wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr. Kuba etwa war ihm nah. Schon immer war Hilpert eine schillernde Figur. Zu DDR-Zeiten handelte er für das Koko-Imperium von Alexander Schalck-Golodkowski mit Antiquitäten, die unter anderem Ausreisewilligen abgepresst worden waren. Er war inoffizieller Stasi-Mitarbeiter, ehe er nach 1990 sein Geld mit Immobilien machte und nach der Jahrtausendwende mit dem Ferienresort im amerikanischen Stil in Werder das große Rad versuchte.

Der Strafprozess gegen Hilpert vor dem Landgericht Potsdam soll „voraussichtlich im Dezember 2011“ beginnen, heißt es. Selten wurde eine Verhandlung im Land mit solcher Spannung erwartet. Es sieht nach neuem Zündstoff aus – für die märkische Politik und womöglich darüber hinaus. Gehen in der Affäre um Filz in Brandenburg, nach Krampnitz, Stadtwerken, Babelsberg 03 und Immobilienverkäufen Potsdams nächste Minen hoch? Packt Hilpert aus, wen zieht er hinein? Er ist Hauptbeschuldigter. Ermittelt wird auch gegen Banker der Deutschen Kreditbank (DKB) und beteiligte Baufirmen. Nicht aber gegen Geschäftspartner Hans-Hermann Tiedje, Ex-Bild-Chefredakteur und Politik-Netzwerker, nicht gegen Amtsträger von Land und Investitionsbank (ILB), bisher nicht.

Doch die Umstände der Millionensubvention, die der Rechnungshof schon 2008 rügte, sind ungeklärt. Und auch die Genese, wie dieser Mann in Brandenburg salon- und förderfähig wurde, ist speziell. Es ist eine Geschichte, bei der Hilpert nach den Linken erst Entscheidungsträger der Christdemokraten und am Ende dann auch der im Land seit 1990 regierenden Sozialdemokraten erfolgreich umgarnte. Da ist etwa der mit der ältesten Verbindung: Heinz Vietze, heute Chef der Rosa-Luxemburg-Stiftung, mit ihm befreundet, fast zwei Jahrzehnte nicht „nur“ graue Eminenz der Landes-PDS, sondern einer der einflussreichsten Politiker in Brandenburg. Beide kannten sich schon vor 1989, als Vietze noch SED-Kreissekretär war. Nun versuchte sich Vietze schon mal als Türöffner für den nach Anerkennung lechzenden Hilpert, der „anständig sei, angekommen im neuen Deutschland“. Hilpert wiederum half Vietze, stellte zeitweise etwa Rolf Kutzmutz ein, den früheren PDS-Bundesgeschäftsführer und langjährigen Potsdamer PDS-Chef. Freilich, für die politische Klasse im Land blieb er trotzdem lange einer, den man eher mied, zumindest öffentlich. Mancher hatte noch den Korruptionsprozess gegen Ex-Bauminister Jochen Wolf (SPD) in Erinnerung, dem Hilpert in den 90ern ein Grundstück vermittelte. Sein erster Anlauf der politischen Landschaftspflege in der Neuzeit war gründlich missglückt.

Der Durchbruch kam mit der großen Koalition im Land. Es war ein Signal, als Innenminister und Vize-Regierungschef Jörg Schönbohm (CDU) 2003 zur Eröffnung von Hilperts „Marina“ sprach. Er war das erste Regierungsmitglied, das offiziell gemeinsam mit Hilpert auftrat. Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) bewilligte Fördermittel, überreichte den Landes-Tourismuspreis, und der frühere CDU-Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz war Hauptredner bei der Einweihung. Vielleicht hält sich deshalb die Landes-Union, heute geführt von Saskia Ludwig, CDU-Kreischefin in Potsdam-Mittelmark, seit 2004 finanzpolitische Sprecherin und parlamentarische CDU-Geschäftsführerin im  Landtag, zum Fall Hilpert bisher zurück, anders als bei den anderen Filzaffären. Vor Ort, in der Stadt Werder mit Bürgermeister Werner Große (CDU) wie auch im Mittelmark-Kreis mit dem damaligen Landrat Lothar Koch (SPD), war man bei Genehmigungsverfahren ohnehin großzügig. Und nicht nur das, Koch und Große zahlten nach staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vierstellige Geldbußen, weil sie sich von Hilpert eine Dienstreise in die Mongolei hatten spendieren lassen.

Sein Hemingway-Hafenrestaurant „Ernest“ war längst beliebter Ort für diskrete Vieraugengespräche der Landespolitik. Klar, dass sich der Hausherr um prominente Gäste persönlich kümmerte. Im August 2003 verewigten sich Rainer Speer, damals Staatskanzleichef, und Johanna Wanka, damals CDU-Kulturministerin, im Gästebuch: „Der Vollmond hängt in der Astgabel. Der See: Man kann nicht meckern. Wir haben uns richtig wohl gefühlt und nur der See weiß um unsere Gespräche.“ Am längsten hielt noch die SPD Distanz, wurde Hilpert etwa von Regierungschef Matthias Platzeck geschnitten. Erst nach dem Rücktritt als Kurzzeit-Vorsitzender der Bundes-SPD trat er 2006 in Petzow auf, bei Unternehmertagen. Später, 2008, zelebrierte die Bundespartei hier den Sturz seines Nachfolgers Kurt Beck. Von Albrecht Gerber, seit 2009 Chef, damals Mitarbeiter der Staatskanzlei, erst unter Manfred Stolpe, später unter Platzeck, ist zumindest bekannt, dass er Genossen von Hilpert fernzuhalten versuchte, was ihm manchmal gelang. Einer machte sowieso, was er für richtig hielt, Rainer Speer, Platzecks einstiger, inzwischen über Affären gestürzter starker Mann, Liebhaber von Rotwein und Zigarren, der hinter den Kulissen für den Regierungschef Wege ebnete, Probleme löste, auf seine Art. Das Resort, ein Ort für Brandenburgs Strippenzieher.

Heute, wo überall das große Schweigen zu Axel Hilpert ausgebrochen ist, erwarten wohl nur Liberale und Grüne den Prozess entspannt. Dafür wird viel gemunkelt, was noch alles hochkommen mag. Wie kam es zur Ausnahmeförderung per Ministerentscheid, obwohl das Land keine neuen Hotels mehr förderte? Revanchierte sich Hilpert mit Spenden, eingefädelt womöglich über andere Firmen? Und dann ist da die DKB, Tochter der öffentlich-rechtlichen bayerischen Landesbank. Sie reichte die Kredite für das 38-Millionen-Projekt aus, verzichtete zwischenzeitlich auf Zins und Tilgung und fiel in Potsdam an anderer Stelle durch Wohltaten auf: als Sponsor für Turbine Potsdam und zuletzt als Millionenbürge bei der Rettung des Drittligisten Babelsberg 03, früher von Speer geführt.

Wenn er wollte, könnte Hilpert, der Wissen stets zum eigenen Wohle einzusetzen wusste, wohl vieles offenbaren, was auch jenseits des Strafrechts Brisanz birgt. Und warum sollte er, der nie viel Rücksicht nahm, das jetzt tun, wo es für ihn um alles geht? Seine Strafverteidigerin Heide Sandkuhl, eine der besten im Land, lässt sich nicht in die Karten schauen, wie sich ihr Mandant, vor dessen Aussage sich einige fürchten dürften, verhalten wird. „Derzeit geben wir keinerlei Stellungnahme ab.“ Noch schweigt Axel Hilpert.

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