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Neu in Berlin Lieferdienste

© imago images / Katrin Schuber/ Tagesspiegel

Wenn der Lieferdienst kommt: Früher war Essen gehen in Berlin schöner

Besuche in Restaurants sind nicht mehr wie früher, seit dort Fahrer von Lieferdiensten ein- und ausgehen. Wer vor Ort isst, wartet oft länger als auf Bestellungen zuhause.

Es geht zu wie im Taubenschlag an diesem Abend in einem indischen Restaurant in Kreuzberg. Gegen den kalten Wind dick eingepackte Radfahrer rufen der Bedienung mehrstellige Nummern zu, treten sich mit ihren pink-, orange- und türkisfarbenen Tornistern auf die Füße. Ein schräger Blick in die Küche zeigt: Die Köche arbeiten auf Hochtouren, obwohl die im schummrigen Licht liegenden Tische nur halb gefüllt sind.

Das größere Geschäft scheint der Restaurantbesitzer an diesem Abend mit Menschen zu machen, die sich Essen lieber bringen lassen als Essen zu gehen. Die vielleicht gerade bis in die Puppen in ihrem Start-up die letzten Details für den Pitch mit einem wichtigen Investor besprechen und dabei hastig ein Curry aus der Aluverpackung inhalieren. Die einfach mal keine Lust haben zu kochen. Die verkatert ihre Lieblingsserie schauen. Die mit Corona in der Isolation ausharren.

Das Liefergeschäft boomt durch die Pandemie

Tatsächlich hat die Pandemie das Liefergeschäft aufgrund der Kontaktbeschränkungen ordentlich angefacht. Laut einer Studie des Handelsforschungsinstituts IFH aus dem Jahr 2020 ist der Umsatz im Onlinehandel mit Lebensmitteln in Deutschland um 58 Prozent auf viereinhalb Milliarden Euro gestiegen.

Für Dienste wie Lieferando ist Berlin der Markt mit dem größten Potenzial in Deutschland. Daran ist auch nichts auszusetzen, denn mit Sicherheit haben Lieferando, Wolt, Uber Eats und wie sie alle heißen das ein oder andere Restaurant vor dem sicheren Pleitetod gerettet.

Aber wäre es nicht jetzt, wo alles wieder offen hat, Zeit, um wieder an den Restauranttisch zurückzukehren, anstatt unterbezahlte Fahrradfahrer mit Warmhalteboxen durch die Stadt zu scheuchen?

Offensichtlich wissen viele Kund:innen weiterhin den Luxus zu schätzen, gekochtes Essen an die Türschwelle geliefert zu bekommen. Für den, der noch die Mühe auf sich nimmt das Haus zu verlassen, um sich auswärts zu verköstigen, hat das gute Geschäft mit dem Essen auf Rädern eine Flipside: Die eigene Bestellung scheint irgendwo ganz hinten auf der Prioritätenliste der Gastronomen zu landen.

Essen gehen mit weniger Lieferdienstfahrern war schöner

Denn während die Fahrer:innen strenge Zeitziele erreichen müssen, scheinen die Gäste vor Ort davon unendlich zu haben. Fast eine Stunde dauert es, bis das Essen im halbvollen Restaurant serviert wird.

Zugleich machen das Kommen und Gehen das Erlebnis des Restaurantbesuchs irgendwie ungemütlich. Niemand möchte Menschen mit einem gefährlichen und schlecht bezahlten Beruf wie den Liederdienstfahrern zu nahetreten, aber ehrlicherweise war Essen gehen schöner als es nicht so viele von ihnen gab.

Einige Gastronomen haben das bereits erkannt und verkaufen ihre Speisen nicht mehr auswärts, um ihren Gästen vor Ort besser gerecht werden zu können. Den Müllbergen, die durch das Auswärtsgeschäft anfallen, begegnet die Bundesregierung mit neuen Auflagen.

Ab Januar müssen Restaurants ab einer bestimmten Größe neben Einweg- auch Mehrfachverpackungen anbieten. Ob das die Lust am Bestellen dämpft, ist allerdings fraglich.

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