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Berlin: Vorwürfe gegen Abschiebepraxis: Grüne: Tunesier bei Abschiebeversuch misshandelt - Verwaltung bestreitet Vorwürfe

Massive Vorwürfe gegen die Berliner Abschiebepraxis hat gestern der Abgeordnete Hartwig Berger (Grüne) erhoben. Bei dem vorerst letzten von fünf Abschiebeversuchen hätten Beamte einen 24-jährigen Tunesier misshandelt, der sich wegen "Panikattacken" massiv gegen das Betreten des Flugzeuges gewehrt habe.

Massive Vorwürfe gegen die Berliner Abschiebepraxis hat gestern der Abgeordnete Hartwig Berger (Grüne) erhoben. Bei dem vorerst letzten von fünf Abschiebeversuchen hätten Beamte einen 24-jährigen Tunesier misshandelt, der sich wegen "Panikattacken" massiv gegen das Betreten des Flugzeuges gewehrt habe. Atef B. soll dabei nach Zeugenaussagen Blutergüsse am Kopf und im Bauchbereich und Hautabschürfungen an den Beinen erlitten haben. Berger forderte Innensenator Eckart Werthebach auf, die sofortige Entlassung des Mannes anzuordnen, der zudem an starken Depressionen leide.

Der Sprecher der Innenverwaltung, Stefan Paris, wies die Vorwürfe Bergers zurück. Der Tunesier sei nicht misshandelt worden, sagte Paris dem Tagesspiegel. Bei dem gescheiterten Abschiebeversuch seien ihm Handfesseln angelegt worden. Durch seine heftige Gegenwehr habe er "Druckstellen an den Handgelenken" davongetragen. Paris bestätigte, dass der Polizeiärztliche Dienst bei dem jungen Mann Depressionen diagnostiziert habe. Diese seien jedoch "medikamentös behandelbar" und machten ihn keineswegs haft- oder reiseunfähig. Die Innenverwaltung werde weiter versuchen, den Tunesier abzuschieben. Bislang habe die Abschiebung nicht durchgeführt werden können, weil sich die Flugkapitäne weigerten, den sich heftig wehrenden Mann zu befördern.

Berger präsentierte gestern einen Zeugen, der Atef B. am Mittwoch nach der gescheiterten Abschiebung besucht habe. Ein in Berlin lebender Cousin des Häftlings beschrieb dessen "körperliche und seelische Verletzungen": Er habe ein blaues Auge, Beulen auf dem Kopf, eine eingerissene Lippe und Hämatome in der Bauchgegend und sei "vollkommen mutlos". Berger verwies auf einen Selbstmordversuch des Tunesiers, nachdem er drei Wochen lang im Haftkrankenhaus Moabit behandelt worden sei. Berger beruft sich auch auf Berichte eines katholischen Geistlichen und eines Mitarbeiters der Internationalen Liga für Menschenrechte. Beide hätten die Aussagen des Verwandten bestätigt.

Der Tunesier wehre sich gegen die Abschiebung, weil ihm in seiner Heimat eine erneute Inhaftierung drohe, sagt Berger. Sein Vater sei politischer Gefangener, er selber habe auch schon im Gefängnis gesessen. 1998 kam Atef B. nach Berlin und stellte einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Nach Auskunft der Innenverwaltung erhielt B. die Aufforderung auszureisen, nachdem er beim Schwarzfahren erwischt wurde. Berger hat jetzt an den Bundestagsausschuss für Menschenrechte appelliert, den in Berlin praktizierten "Missbrauch der Abschiebehaft" zu stoppen.

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