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Berlin: Wackliger Wassertisch

Einstiger Hauptakteur der erfolgreichen Initiative ist in Konkurrenzverein aktiv Gespräche des Senats über Rückkauf des Versorgers stocken

Gut ein halbes Jahr ist es her, dass der Initiative „Berliner Wassertisch“ der bisher einzige erfolgreiche Volksentscheid in Berlin gelang. Doch die substanziellen Fortschritte seit der Abstimmung sind gering – und der Wassertisch durch interne Machtkämpfe geschwächt.

Nach Auskunft von Wassertisch-Sprecher Gerhard Seyfarth hat die Initiative bisher nicht klären können, ob der Senat, wie von ihr vermutet, noch immer Unterlagen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe von 1999 geheim hält: „Es gibt keine Verständigung mit der Wirtschaftsverwaltung.“ Bereits im Frühjahr habe der Wassertisch der Verwaltung von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) eine Anwaltskanzlei vorgeschlagen, die die Unterlagen prüfen solle. Aber seitdem sei „nichts passiert“.

Nach Auskunft von Wolfs Sprecher Stephan Schulz sei im Mai in einem Gespräch mit den Wassertisch-Aktivisten Thomas Rudek und Sabine Finkenthei vereinbart worden, eine renommierte unabhängige Instanz mit der Prüfung der Frage zu beauftragen, ob der Senat alles offengelegt habe. Eine von der Verwaltung vorgeschlagene, einschlägig erfahrene Kanzlei habe die Gegenseite abgelehnt. Nachdem der Landesrechnungshof und der Datenschutzbeauftragte auf Anfrage abgesagt hätten, habe Rudek zwei andere Kanzleien vorgeschlagen, die wiederum der Verwaltung nicht bekannt gewesen seien.

Inzwischen sind Rudek und Finkenthei in einer neuen Initiative aktiv: Die „Berliner Wasserbürger“ wollen die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe forcieren – nach eigener Auskunft konsequenter als der Wassertisch. Seyfarth sagt, Finkenthei habe kein Mandat: „Nach meinem Dafürhalten unterhält sich Senator Wolf mit der Falschen.“ Zudem habe der Wassertisch bei seiner letzten Sitzung dafür votiert, die Kanzlei für die Prüfung nicht im kleinen Kreis auszuwählen, sondern öffentlich, etwa über den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses.

Zwar hat der Wassertisch bereits eine Reihe von Abgeordneten und Kandidaten mit seinen Anliegen kontaktiert, aber der Politikbetrieb gerät durch die in drei Wochen anstehende Wahl zeitweise ins Stocken. Ein Indiz dafür sind die schleppenden Verhandlungen mit den Konzernen RWE und Veolia, die jeweils 24,9 Prozent an den Wasserbetrieben halten. Die Gespräche des Senats über den Rückkauf der RWE-Anteile und neue Konditionen für Veolia ruhen nach Tagesspiegel-Informationen seit der Sommerpause. Dabei dürfte die Gelegenheit zurzeit günstig sein, denn der auf Atom- und Kohlekraftwerke spezialisierte RWE-Konzern braucht dringend Geld. Als Preisforderung für den Anteil an den Wasserbetrieben waren 800 Millionen Euro im Gespräch. Dieser Betrag läge knapp unter dem Kaufpreis des RWE-Anteils von 1999. Als wahrscheinlich gilt, dass sowohl das Land als auch Veolia Anteile kaufen. Die vom Wassertisch und Politikern – allen voran Wolfs Linken – favorisierte komplette Rekommunalisierung gilt angesichts des Berliner Haushaltsdefizits und der langfristigen Schuldenbremse als unbezahlbar. Stefan Jacobs

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