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Eine Sprachmittlerin hilft in der Registrierungsstelle für Flüchtlinge in Berlin einer Familie aus Syrien bei der Orientierung im Gebäude.

© Soeren Stache/dpa

Wahl-Serie: Integration: Was wird für die Integration von Flüchtlingen in Berlin getan?

Oppositionspolitiker kritisieren Masterplan Integration als zu unkonkret, loben Projekte wie Arrivo und fordern mehr Teilhabe.

Von Sabine Beikler

Integration hat vor allem durch die hohen Flüchtlingszahlen 2015 eine herausragende Bedeutung in Berlin bekommen: 55.000 schutzsuchende Menschen kamen in die Stadt, in diesem Jahr werden 25.000 Flüchtlinge erwartet. Der Senat hat im Mai auf 84 Seiten einen Masterplan Integration und Sicherheit verabschiedet, der vieles regeln soll: die am 1. August erfolgte Gründung eines Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten und eine „Integration vom ersten Tag an“, wie Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) beschrieb. Das sind Ankunft, Registrierung und Leistungsgewährung, Unterbringung, Erstberatung und Gesundheitsversorgung, Sprachkurse, Bildung und Ausbildung, Integration in den Arbeitsmarkt und kulturelle Angebote.

Ohne Deutschkenntnisse aber ist ein Zugang zum Arbeitsmarkt schier aussichtslos. Integrationskurse mit integriertem Deutschunterricht aber sind nur für Flüchtlinge mit einem Aufenthaltstitel vorgesehen. Das Land Berlin bietet an den Volkshochschulen zusätzliche Deutschkurse an. Bisher haben in diesem Jahr 10.208 Flüchtlinge, darunter 2252 Frauen, einen Kurs besucht. An Alphabetisierungskursen haben bisher rund 1500 Menschen teilgenommen. Für Sprachkurse stehen in diesem Jahr rund 4,8 Millionen Euro zur Verfügung.

Integrationsprojekt "Arrivo" in Kreuzberg

Integrationslotsen und Stadtteilmütter mit Migrationshintergrund begleiten Familien und sollen verhindern, dass diese sich zurückziehen, abschotten oder Perspektiven verlieren. Diese Arbeit finanziert das Land 2016 und 2017 mit rund 4,3 Millionen Euro. Bis Ende Juni waren 378 Lotsen im Einsatz.

527 Menschen haben am Kreuzberger Projekt „Arrivo“ teilgenommen, das Flüchtlinge an Handwerksbetriebe vermittelt. In einer Art Parcours durchlaufen diese dort diverse Handwerksberufe. Die Arrivo-Teilnehmer besitzen eine Arbeitserlaubnis und haben bereits einen Sprachkurs absolviert – 279 haben die Qualifizierung aus unterschiedlichen Gründen abgebrochen, 90 Teilnehmer konnten vermittelt werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Projekte auch abgebrochen wurden, weil die Deutschkenntnisse noch nicht ausreichten. Hinzu kommt ein schnelles Profiling von Flüchtlingen, um frühzeitig ihre Kompetenzen und Qualifikationen festzustellen.

Der Doppelhaushalt 2016/2017 sieht je 600 Millionen Euro für die Unterbringung, Verpflegung und Integration der Flüchtlinge vor. Hinzu kommen vom Bund jährlich 110 Millionen Euro für Integrationsmaßnahmen und je 25 Millionen Euro in 2017 und 2018 für den Wohnungsbau.

Kontrollen der Heimbetreiber nicht verbindlich

Die Oppositionspolitiker kritisieren den Masterplan als zu unkonkret. Es gebe zwar „gute Ansätze“, sagt Fabio Reinhardt (Piraten). Dass der Senat ihn beschlossen habe, zeige, dass dieses Thema wenigstens kein „Nischenthema“ mehr sei. Trotzdem fehlten in dem „Wunschpapier“ Verbindlichkeit und Zeitplan. Flüchtlingsfürsprecher seien in dem Masterplan nicht einbezogen, und Kontrollen der Heimbetreiber seien auch nicht verbindlich. Reinhardt hätte auch mehr Geld investiert in Sprachkurse für Menschen, die „nicht die allerbeste Bleibeperspektive haben“.

Dass überhaupt VHS-Deutschkurse für jeden Flüchtling angeboten werden, ist für Grünen-Politikerin Canan Bayram ein „richtiger Schritt“. Auch das Projekt Arrivo ist für Bayram eine „gute Initiative“. Sie lobt das Engagement der Handwerksunternehmen, die Jobcenter dagegen könnten „mehr unterstützen“. Das neue Landesamt für Flüchtlingsfragen sieht Bayram positiv, fordert dort eine Beratungsstelle für Flüchtlinge.

Die zu lange Unterbringung in Turnhallen oder Gemeinschaftsunterkünften sehen Bayram, Reinhardt und Hakan Tas (Linke) als großes Integrationshemmnis. „Die Situation ist eine Katastrophe in Berlin“, sagt Reinhardt. Grünen-Politikerin Bayram schlägt vor, private Vermieter auch in die Vereinbarung des Landes mit den Wohnungsgesellschaften aufzunehmen, damit sichergestellt wird, dass das Land neben Kaution und Miete auch Renovierungskosten übernimmt.

Alle Oppositionspolitiker wollen statt „klassischer“ Integrationspolitik eine Partizipationspolitik, die zum Beispiel eine Änderung des Wahlrechts für hier lebende Migranten und schnellere Arbeitsgenehmigungen beinhalten. Besondere Härtefälle sollten dabei berücksichtigt werden. Und vom Integrationsbeauftragten Andreas Germershausen erwartet sich die Opposition eine deutlich aktivere Rolle.

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