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Wahlkampf in Berlin: Piratenpartei: Beute machen

Die Piratenpartei sieht sich schon als Gewinner. Hingegen haben die Violetten so ihre Schwierigkeiten.

Berlin - Gegen Internetzensur und für Informationsfreiheit. Würde es nach den unter 18-Jährigen gehen, säße die Piratenpartei mit diesen Themen und 9,15 Prozent im Bundestag. Die Ergebnisse der U-18-Wahlen haben sogar die Piraten selbst überrascht.

„Es ist klar geworden, dass es unsere Themen sind, die die Jugend interessieren“, sagt der Landesvorsitzende der Berliner Piraten, Andreas Baum. Durch seine Partei seien Themen außerparlamentarischer Gruppen, wie zunehmende Überwachung, Zensur und Informationsfreiheit endlich wählbar geworden.

Schon bei der Datenschutz-Demonstration vor zwei Wochen am Potsdamer Platz wurde deutlich, wie hoch die Anziehungskraft der Kleinpartei auf Jungwähler ist. In fast allen Medien wurden anschließend die Bilder gezeigt, wie sich der riesige Piratenlaster durch ein Meer aus orangefarbenen Partei-Fahnen schob. Auf dem Oberdeck tanzten vor allem junge Piratenmitglieder zu wummernden Techno-Klängen. Die Lautsprecherwagen von FDP, Grünen und Linkspartei wirkten gegen den 20 Meter langen Tieflader geradezu winzig. Die gelben, grünen und roten Luftballons, an den Wagen der drei Bundestagsparteien, gingen in der Masse aus Piraten-Fahnen einfach unter.

„Ich bin hier, weil ich das Gefühl habe, dass die Politik uns sonst nicht ernst nimmt“, sagt Peter Seidemann. Wie so viele an diesem Tag trägt er ein Piratenpartei-Shirt. In der Hand hält er ein großes Schild, auf dem der knappe Slogan „Zensiert“ steht. Der 21-Jährige ist für die Demonstration extra 600 Kilometer aus Mainz nach Berlin gefahren. Er ist sich sicher, dass die Piraten etwas bewegen können.

Manch einer spricht in Bezug auf die Piratenpartei inzwischen schon von einer neuen sozialen Bewegung. Dementsprechend euphorisch ist kurz vor der Wahl die Stimmung beim Berliner Landesverband. „Klar, wir konnten am meisten Leute für die Demo mobilisieren“, sagt Baum. „Unser Ziel ist es jetzt, die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken.“ 9000 Mitglieder hat die vor drei Jahren gegründete Partei bereits. Fast 700 sind es allein in Berlin. Bei der Europawahl holten die Datenschützer in Friedrichshain-Kreuzberg aus dem Stand 3,4 Prozent.

Ortswechsel: Ein Freitagvormittag vor dem Rathaus Schöneberg. Verschlafen spazieren Fußgänger zwischen Blumenständen, Würstchenbuden und Kleidungsständen umher. Im Sonnenschein steht der lila-weiße Infotisch der Violetten. Auf einem Wahlplakat hält ein Kind einen Schmetterling in den Händen. „Für spirituelle Politik“, heißt es darunter. Kein einfach zu vermittelndes Thema in Zeiten von Finanzkrise und steigenden Arbeitslosenzahlen. Die Spitzenkandidatin, Ingrid Cölsch, mit roten Locken und pinkfarbenem Shirt, hat Mühe, mit den Schönebergern ins Gespräch zu kommen. „Nee, interessiert mich nicht“, schimpft ein älterer Mann.

Nur 0,2 Prozent der Stimmen erhielten die Violetten bei der diesjährigen Europawahl. Trotzdem sind sie davon überzeugt, dass sie am Sonntag in den Bundestag einziehen werden. Dafür hat Cölsch in Berlin 750 Wahlplakate aufgehängt. Fünf bis zehn Prozent der Stimmen wird ihre Partei bekommen, da ist sich die 55-jährige Spitzenkandidatin sicher. Wählen kann man die Violetten nur in sechs der 16 Bundesländer. „Selbst, wenn es nicht klappt, war es ein super Erfolg“, sagt Cölsch. „Rund 30 Prozent der Deutschen gehen bewusst einen spirituellen Weg“, glaubt die Unternehmensberaterin. Die Selbsterkenntnis aller Menschen und bedingungslose göttliche Liebe spielen für die Violetten daher eine zentrale Rolle. Aber auch im weltlichen Bereich hat sich die Kleinpartei viel vorgenommen. Die Bundeswehr soll ebenso abgeschafft werden wie Tierversuche und Massentierhaltung. Zudem soll ein bedingungsloses Grundeinkommen von bis zu 1500 Euro eingeführt werden, damit sich jeder Bürger individuell entfalten kann. Bezahlt werden soll dies durch die Schließung aller Jobcenter und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Luxusgüter auf 50 Prozent. Konkrete Ideen, was im Bundestag geändert werden müsse, hat Cölsch auch schon: „Ein Meditationsraum wäre schön.“

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