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Berlin: Wasserpreise: Hier gespart, da bezahlt

Die beschlossene Erstattung von 60 Millionen Euro kann für die Steuerzahler teuer werden Eine dauerhafte Gebührensenkung ist nur mit dem Kartellamt möglich – und mit diplomatischem Geschick.

Die von der rot-schwarzen Koalition in beschlossene Erstattung für die Berliner Wasserkunden könnte ein Paradebeispiel für das Prinzip „Rechte Tasche – linke Tasche“ werden. Denn der 60-Millionen- Euro-Scheck für die Kunden der Berliner Wasserbetriebe (BWB) wird wohl nur mithilfe der Berliner Steuerzahler gedeckt werden können. Zwar prüfen BWB zurzeit erst die Einzelheiten der Erstattung, aber eine Rückzahlung dieser Größenordnung wird unvermeidlich den Unternehmensgewinn schmälern. Und der lag zuletzt bei 232 Millionen Euro, von denen 108 Millionen ans Land flossen – plus 82 Millionen weiterer Abgaben.

Die am Dienstag vereinbarte Entlastung von rund 15 Euro pro Kopf für 2012 entspricht etwa der 18-prozentigen Preissenkungsforderung des Bundeskartellamtes für dieses Jahr – und ist doch eine politische Geste des guten Willens. Oder, wie es die Initiative „Wassertisch“ ausdrückt, eine „Beruhigungspille“. Die Initiative fordert die Umsetzung der Kartellamtsverfügung auch für die Folgejahre, für die die Behörde eine Senkung der Wassertarife um 17 Prozent gefordert hat. Allerdings klagen die BWB weiter vor dem Oberverwaltungsgericht Düsseldorf, weil sie die Anwendung des Kartellrechts auf ihr Tarifsystem für unzulässig halten. Außerdem geht es bisher nur ums Frischwasser und nicht um die vergleichsweise höheren Abwassertarife (siehe Grafik). Und das Frischwasser allein macht mit knapp 90 Euro pro Durchschnittsberliner und Jahr keinen allzu großen Teil der Wohnnebenkosten aus.

Sowohl für die privaten BWB-Gesellschafter RWE und Veolia als auch fürs Land Berlin sind die Gewinne der Wasserbetriebe seit Jahren eine verlässliche Einnahmequelle. Was die Privaten betrifft, sogar eine sehr verlässliche, weil ihnen die Gewinne langfristig garantiert sind.

Diese Garantie soll der Senat mit dem verbliebenen Partner Veolia – der Vertrag zum Ausstieg von RWE liegt bereits unterschrieben in der Finanzverwaltung und kann nach einem entsprechenden Parlamentsbeschluss in Kraft treten – aus den Verträgen herausverhandeln. Dabei wird diplomatisches Geschick gefragt sein, denn streng juristisch kann sich Veolia mit Verweis auf den bis 2028 gültigen Vertrag stur stellen – und vom Land eine Entschädigung für Gewinne einfordern, die ihm wegen einer politisch motivierten Preissenkung entgangen sind. Nach Tagesspiegel-Informationen ist die Atmosphäre zwischen allen Partnern wegen des Ausstiegs von RWE belastet. Denn RWE verkauft dem Land seinen Anteil nicht direkt, sondern überlässt ihm stattdessen 50 Prozent einer gemeinsamen Beteiligungsgesellschaft. Das beschränkt die Entscheidungsspielräume für den ebenfalls mit 50 Prozent beteiligten Partner Veolia, der deshalb gegen RWE klagt.

Einzelheiten zum aktuellen Stand der Gespräche sind auf Nachfrage weder von der Finanzverwaltung noch von Veolia zu erfahren. Und die Gerichtsentscheidung zur Kartellrechtsfrage wird erst fürs nächste Jahr erwartet.

Bis dahin nutzen alle Beteiligten die Zeit, sich zu profilieren: Linksfraktionschef Udo Wolf bezeichnet die rot-schwarze Vereinbarung als „späten Sieg für die Linke“, deren Wirtschaftssenator Harald Wolf das Kartellamt eingeschaltet hatte. Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop warnt vor einer „Mogelpackung“ auf Kosten der Steuerzahler, falls die Privaten nicht auf Gewinn verzichten. Die Initiative „Wassertisch“ verlangt vom Senat die vollständige Umsetzung der Kartellamtsverfügung und die Rücknahme der BWB-Klage. Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) bezeichnet die Entlastung als „viel zu niedrig“. Er hält eine Senkung um 70 Euro pro Kopf und Jahr für angemessen. Den Berlinern stehe „der gesamte bisherige Gewinn der Berliner Wasserbetriebe“ zu, weil mit Wasser keine Profite gemacht werden sollen. Diese Auffassung teilen auch viele Landespolitiker. Doch bei der Teilprivatisierung vor 13 Jahren sahen sie das mehrheitlich anders.

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