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Vergoldete Urteile sprechen deutsche Richter.

© Britta Pedersen/ picture alliance / dpa

Intransparente Vereinsspenden: Wen Richter mit Bußgeldern fördern

Wird ein Verfahren gegen eine Geldbuße eingestellt, verteilen Gerichte diese Gelder an gemeinnützige Vereine. An wen genau diese Summen gehen, wird nicht kontrolliert.

Richter verteilen jedes Jahr mehrere zehn Millionen Euro Bußgelder an gemeinnützige Vereine. Dabei bleibt im Dunkeln, welche Richter an wen Geld verteilen. Einige fordern mehr Transparenz.

Große Firmen wie Audi, Siemens, RWE und Rheinmetall sind Mitglieder des Berliner Vereins „DICO Deutsches Institut für Compliance“. Dort tauschen sich Konzernjuristen aus, wie ihre Arbeitgeber rechtlich sauber arbeiten können. 20 000 Euro hat ein hessisches Amtsgericht dem Verein 2016 zugewiesen. Geld aus einem eingestellten Verfahren.

Den Grund konnte das hessische Justizministerium auf Anfrage nicht erklären. Der Verein ist nicht wohltätig, erfüllt aber offiziell einen gemeinnützigen Zweck. Beispiele dafür nennt ein Vereinssprecher: Workshops, Seminare und Konferenzen. Eine hübsche Spende für die Elite der deutschen Unternehmensjuristen.

Opfervereine oder Tennis-Clubs

Die Berliner Richterin Lisa Jani hat die Wahl: An welche Organisation soll sie das Geld geben, wenn ein Verfahren gegen eine Geldbuße eingestellt wird? Denn es gibt für sie und ihre Kollegen nur ein Kriterium: Die Organisation muss gemeinnützig sein.

„Ich zum Beispiel versuche immer einen Bezug zu einer Straftat herzustellen“, sagt Jani, Richterin am Amtsgericht Tiergarten und Sprecherin der Berliner Strafgerichte. Wenn jemand seine Frau schlägt, wählt sie eine Einrichtung, die sich um Opfer häuslicher Gewalt kümmert.

Andere Richter verteilen die staatlichen Gelder auch an Tennis-, Jazz- und Yacht-Clubs, wie die Datenbank des Recherchezentrums Correctiv zeigt. 2016 gab es Strafzahlungen in Höhe von mehr als 90 Millionen Euro. Im Jahr davor waren es mehr als 100 Millionen Euro.

Kontrolliert wird nicht

Die Richter können frei entscheiden, Prüfungen finden nicht statt. Die Empfänger müssen die Verwendung der Gelder in der Regel nicht nachweisen. Welcher Richter an wen spendet, ist nicht bekannt. Die Justizbehörden in Nordrhein-Westfalen halten sogar geheim, wer gefördert wurde. Dabei vergeben die Gerichte und Staatsanwaltschaften dort mit rund 50 Millionen Euro die Hälfte aller bundesweiten Zuwendungen.

Hinter den individuellen Zuwendungen steht ein pragmatischer Gedanke: Geld aus eingestellten Verfahren geht ohne bürokratische Hürden an Organisationen, die einem guten Zweck dienen. In den meisten Fällen sind das Vereine für die Opferhilfe und wohltätige Organisationen.

Die „Neue Richtervereinigung“ fordert mehr Transparenz. Amtsrichter Ulf Thiele, Sprecher für den Bereich Strafrecht der alternativen Richtervereinigung sagt: „Es muss klar sein, von welchem Richter ein Betrag an wen verteilt wird.“

Genaue Regeln gibt es nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich ein Richter mit einer Zuwendung selbst begünstigt, etwa weil er Mitglied eines Vereins ist. Das ist bisher allerdings kaum überprüfbar. „Ich hätte kein Problem, wenn die Richter erkennbar wären,“ sagt Thiele. Fast alle Bundesländer führen zwar Listen, welche Vereine Geld erhalten. Allerdings geht daraus nicht hervor, von welchen Richtern das Geld kommt.

1,7 Millionen Euro für den Verband der Bewährungshilfe

Am meisten profitierte der Verband der Bewährungshilfe in Baden-Württemberg mit insgesamt 1,7 Millionen Euro im Jahr 2016. Mit 400 000 Euro ist auch der „Deutsche Kinderschutzbund“ vorn dabei oder „Ärzte ohne Grenzen“ mit mehr als 250 000 Euro.

Gemeinnützig sind viele Vereine und fast alle Stiftungen in Deutschland. Richter berichten von Versuchen, ihre Entscheidung zu beeinflussen. Einige Vereine schreiben jede Woche Bettelbriefe, andere schicken Kugelschreiber oder kommen mit Werbegeschenken vorbei. Richterin Jani erinnert sich an einen Vertreter einer Stiftung, der ungebeten an ihre Tür klopfte und einen Koffer voller Werbeartikel auf ihren Schreibtisch stellte. Jani setzte ihn vor die Tür.

Der Deutsche Richterbund, die größte Vereinigung von Richtern, sieht keinen Grund zur Kritik an den individuellen Geldvergaben. Jens Gnisa, Vorsitzender des Richterbundes glaubt nicht, „dass sich die Zuweisungspraxis noch weiter verbessern ließe, indem man die Entscheidungskompetenz auf Stellen außerhalb der Justiz verlagert.“

"In vielen Facetten anfällig für Missbrauch"

2014 veröffentlichte Correctiv erstmals die Datenbank zu den Gerichtsspenden. Damals hatten Münchner Richter einen Ausgrabungsverein für Ägypten gefördert, an dem sie selbst beteiligt waren.

In Hamburg hat die Politik die Verteilung der Gerichtsgelder nach einem Skandal in den 1970er Jahren geändert: In der Regel weisen die Richter die Summen einem bestimmten Zweck zu. Welcher Verein das Geld erhält, entscheidet die Verwaltung. „Das System der Direktzuweisung ist in vielen Facetten anfällig für Missbrauch“, sagt Holger Schatz, Leiter des Justizvollzugsamts in Hamburg. Die Empfänger müssen zudem die Verwendung der Gelder nachweisen. Auch das gibt es nur in Hamburg.

Die Autoren sind Redakteure des unabhängigen Recherchezentrums Correctiv. Die Journalisten haben alle Zuwendungen von Gerichten in einer Datenbank zusammengefasst. Hier können Sie sehen, welche Organisationen gefördert werden: correctiv.org/spendengerichte

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