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Berlin: Wenn die Schule lebensgefährlich wird

Messer, Schlagstöcke, Gaspistolen – an Berlins Schulen wird aufgerüstet: Wie sich die Lehrer wehren und wie der Senat sie unterstützt

Waffen in den Schultaschen, Prügel auf dem Pausenhof – an Berliner Schulen fast Alltag. Im Schuljahr 2001/2002 hat die Senatsbildungsverwaltung 254 Gewaltvorfälle gezählt, davon 88 Körperverletzungen und 46 schwere Körperverletzungen, bei denen auch Waffen im Spiel waren. Wie gehen Berlins Schulen damit um? Zwei Beispiele:

Die Heinrich-von-Stephan Oberschule im Ortsteil Moabit hatte Gewaltprobleme – aber auch ein Lösungskonzept: „klare Regeln“ heißt es. Damit haben die Lehrer das Problem in den Griff bekommen. Absolutes Waffen- aber auch Handy-Verbot, jede Gewalttat wird angezeigt, Fremde auf dem Schulhof werden von der Pausenaufsicht sofort angesprochen. „Wir kontrollieren die Taschen der Schüler stichprobenartig auf Waffen, seither gibt es hier keine mehr“, sagt Lehrerin Gerda Noreisch. Hilfreich seien auch die 15 „Streitschlichter“, also Schüler, die speziell ausgebildet sind, in Konfliktsituationen zwischen den Kontrahenten zu vermitteln und zu helfen. In der Folge seien die Gewaltprobleme an der Moabiter Schule stark zurückgegangen. Eine Vorzeige-Schule, Hilfe durch Selbsthilfe wurde hier zum Vorbild. Anders sieht es an der Neuköllner Kepler-Oberschule aus.

Ihr Leiter, Wolfgang Lüdtke, ging über die „BZ“ an die Öffentlichkeit und klagte über „brutale Schläger-Gangs“, die den Pausenhof stürmen. Einem 14-jährigen Schüler sei die Nase gebrochen worden, einen anderen hätten „Eindringlinge“ auf dem Schulhof fast erstochen. Der Schulleiter wisse nun nicht mehr, was er tun soll. Schulsenator Klaus Böger (SPD) müsse endlich helfen.

In der Senatsbildungsverwaltung kann man diese Reaktionen des Schulleiters nicht verstehen. „Die Vorfälle an seiner Schule waren uns bisher nicht bekannt, sie sind teilweise über ein halbes Jahr alt. Er hätte sich an uns wenden müssen, denn nur dann können wir konkret helfen“, sagt Gewaltexpertin Bettina Schubert. Seit zehn Jahren besteht eine Meldepflicht der Schulen an die Behörde, wenn es zu Gewalttaten kommt. Völlig rat- und hilflos müsse kein Direktor dieser Stadt sein. Darüber, dass Lüdtke in dieser Weise an die Öffentlichkeit ging, zeigte sich Böger gestern äußerst verärgert.

Über Jahre hinweg hat Bettina Schubert Präventionsprogramme gegen Gewalt erarbeitet. Dazu gehört ein Leitfaden, der allen Schulen vorliegt und Hilfe in Konfliktsituationen leisten soll: Wen benachrichtige ich? Wie verhalte ich mich dem Opfer gegenüber? Das Ganze ist wird in einer „Checkliste“ abgearbeitet. „Wir drücken den Lehrern nicht nur diese Broschüre in die Hand. Selbstverständlich bieten wir zusätzlich Fortbildungen an.“ Diese Seminare sollen künftig mehr als einmal pro Jahr stattfinden. Sie wenden sich vor allem an die Schulleiter. Neben aktuellen Fallbeispielen, die diskutiert werden, vermittelt die Behörde auch Kontakte zu Jugendbeauftragten der Polizei und zu schulpsychologischen Beratungsstellen. „Wir sind für ein offenes, vertrauensvolles Klima, das durch Prävention geschaffen werden soll. Dennoch: Wenn es zu Gewalt kommt, muss die Polizei sofort eingeschaltet werden“, sagt Bettina Schubert.

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