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Berlin: Wer billig impft, dem droht nun eine Klage

Standesvertreter gehen gegen Mediziner vor Krankenkassen bauen eigene Angebote aus

Berliner Ärztefunktionäre wollen mit allen Mitteln billige Impfungen verhindern. Jetzt schickten sie den rund 250 Hausärzten, die mit den Ersatzkassen Einzelverträge unter Umgehung der Kassenärztlichen Vereinigung geschlossen haben, Strafandrohungen in die Praxis. Sollten sie weiterhin geringere Impfhonorare berechnen, als sie laut Gebührenordnung für Ärzte verlangen können, müssten sie jeweils 5000 Euro Schadenersatz zahlen, fordert Wolfgang Kreischer, stellvertretender Vorsitzender des Berliner Berufsverbandes der Allgemeinärzte.

Die Ärztefunktionäre reagieren zunehmend nervös. Sie sehen in den Einzelverträgen die Gefahr, dass das Verhandlungsmonopol der Kassenärztlichen Vereinigung ausgehebelt wird. Kreischer begründet seine Forderung mit dem „verwerflichen Hinwegsetzen“ seiner abtrünnigen Kollegen „über die Standesordnung der Ärzte“. Zuvor hatte schon der Vorsitzende der Ärzteinitiative, Uwe Kraffel, die betroffenen Mediziner angemahnt, die Einzelverträge umgehend zu kündigen.

Wie im Falle Kraffel unterstützt die Berliner Kassenärztliche Vereinigung (KV) auch Kreischers Brief: „Das ist ein logischer Schritt, um die ausscherenden Ärzte zur Verantwortung zu ziehen und die Solidarität untereinander wieder herzustellen“, lässt der KV-Chef Manfred Richter-Reichhelm ausrichten. „Wir werden unsere Ärzte schützen und für sie zur Not eine Sammelklage führen“, hält der Chef des Berliner Ersatzkassenverbandes, Karl-Heinz Resch, dagegen. Sollte man unterliegen, übernehme der Ersatzkassenverband auch das Risiko für die betroffenen Ärzte, Strafe zahlen zu müssen. Allerdings nur dann, wenn sie sich der Kassenklage anschließen. Resch räumt ein, dass eine Reihe von Ärzten wegen des massiven Drucks ihre Verträge bereits wieder gekündigt haben. Kündigungen und Neuabschlüsse hielten sich aber die Waage.

Die Berliner Ersatzkrankenkassen (wie Barmer, Techniker- und Angestelltenkasse) bauen gleichzeitig die Infrastruktur weiter aus, um ihre Versicherten unabhängig von den Kassenärzten impfen zu können. Heute verschickt der Ersatzkassenverband Musterverträge an Krankenhäuser, auf deren Grundlage auch deren Ärzte impfen können. Rund 30 Kliniken seien an dem Zusatzgeschäft interessiert, sagt Resch. Darüber hinaus verhandeln die Kassen mit Altenpflegeheimen, um dort diejenigen Senioren gegen Grippe zu impfen, die das Heim nicht verlassen können.

Die Grippeschutzimpfungen in den Geschäftsstellen der Krankenkassen seien ein Erfolg, sagte Resch. Ebenso wie die Impfungen in den Arbeitsmedizinischen Zentren der „BAD“. Tausende Versicherte hätten sich so impfen lassen. Doch der Haupttrumpf sind die rund 250 Hausärzte, mit denen die Kassen Einzelverträge über die Impfhonorierung geschlossen haben – fast jeder zehnte der 2700 impfenden Mediziner in Berlin.

Die Krankenkassen erheben schwere Vorwürfe gegen die Ärzteschaft. Einige „schwarze Schafe“ nutzten den vertragslosen Zustand aus und stellten den Versicherten einen viel zu hohen Betrag für die Impfung in Rechnung, sagt VdAK-Chef Resch. Die Kassenärztliche Vereinigung wehrt die Verantwortung dafür ab. Wenn die Kassen die Ärztevertretung bei den Honorarverhandlungen umgingen, dann müssten sie auch die Abrechnungen prüfen, heißt es bei der KV. Bisher ist dies eine ihrer Aufgaben.

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