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© Uwe Steinert

Rechtliche Fragen: Wer ist schuld, wenn ich mir die Knochen breche?

Wer muss die Gehwege vom Eis befreien? Was passiert, wenn Eiszapfen vom Dach auf Autos stürzen? Wie oft muss gestreut werden? Rechtlich eindeutig ist die Lage nicht.

Wer bei schneebedingten Unfällen wieviel Schuld trägt, muss im Einzelfall geklärt werden.

Räumen und Streuen
Grundsätzlich sind Gebäudeeigentümer verpflichtet, für die Sicherheit vor ihren Häusern zu sorgen. Gegen Glätte auf dem Fußweg und von Dächern abrutschende Schneelawinen müssen die Besitzer selbst vorgehen. Für das öffentliche Straßenland ist der Senat mit seinen Behörden zuständig.Wie stark geräumt und gestreut werden muss, ist allerdings umstritten. Es ist auch rechtlich gesehen ein Unterschied, ob jemand morgens um drei Uhr auf einem abgelegenen Parkplatz oder morgens im Berufsverkehr auf einer Hauptstraße stürzt. Fest steht, dass es keine unbegrenzte Räumpflicht gibt. Dies definiert auch der Bundesgerichtshof nicht eindeutig mit: was „billige Rücksicht nach der Verkehrsauffassung“ zulässt. Bei Straßen beginnt die Streupflicht am frühen Morgen und endet gegen 20 Uhr. So muss der Winterdienst bis sieben Uhr des folgenden Tages, an Sonn- und Feiertagen bis neun Uhr erledigt werden. An Orten, an denen auch nachts viele Menschen unterwegs sind, Kneipenstraßen etwa, kann sich die Räum- und Streupflicht auch bis in den späten Abend verlängern. Das Streuen muss in angemessener Zeit wiederholt werden, spätestens aber, wenn das Streugut seine Wirkung verloren hat. Stürzt man auf Wegen, die regelmäßig gestreut werden, dürfte man in der Regel leer ausgehen.

Der Versicherungsfall

Arbeitnehmer, Schüler und Studenten sind bei Unfällen gesetzlich versichert – und zwar sowohl auf dem Weg zur Firma, Schule und Universität als auch zurück nach Hause. Das gilt auch für Beschäftigte die ganztags auf den Straßen unterwegs sind, etwa Briefträger. Ist ein Sturz darauf zurückzuführen, dass jemand seinen Räum- und Streupflichten nicht nachgekommen ist, wird die zuständige Unfallkasse die entstandenen Kosten beim Verursacher geltend machen. Arbeitgeber können die Lohnfortzahlung während der aus dem Unfall resultierenden Arbeitsunfähigkeit ebenfalls zurückfordern, teilt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung mit. Auch private Versicherungen greifen, die Kassen versuchen aber, sich das Krankengeld vom Grundstückseigentümer zurückzuholen, wenn er nicht gestreut hat.

Die Schuldfrage

Grundsätzlich ist bei nicht gestreuten Wegen ein Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung möglich, sagen Experten. „Es muss jedoch eine mögliche Mitschuld des Verletzten berücksichtigt werden. Niemand kann sehenden Auges in sein Unglück rennen und dann die Verantwortung abwälzen“, sagt Verwaltungsrechtler Sven Richwin. Stöckelschuhe dürften beim derzeitigen Wetter etwa als „erhebliches Mitverschulden“ angerechnet werden, erklären Juristen. „Ungeeignetes Schuhwerk führt zwar nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes, kann aber bedeutsam für die Frage sein, ob und in welchem Umfang derjenige, der seine Räum- und Streupflicht verletzt hat, haften muss“, sagen Experten der Deutschen Unfallversicherung.

Dass Versicherungen nicht immer bereit sind, winterbedingte Schäden zu übernehmen, zeigt folgender Fall. Erst kürzlich, berichtet eine Berlinerin, habe sich eine Lawine vom Dach in einer Nebenstraße des Kurfürstendamms gelöst und sei auf ihr geparktes Auto gestürzt. Das Fahrzeug ist dadurch erheblich beschädigt worden. Die Haftpflichtversicherung habe die Schadensübernahme zunächst abgelehnt, das Dach sei durch angebrachte Schneefanggitter ausreichend gesichert gewesen. Zwar hat die Versicherung inzwischen einen Teil des Schadens ersetzt, behauptet aber weiterhin, die Frau treffe eine Mitschuld, weil sie hätte aufpassen müssen, wo sie parkt. Muss man in Berlin denn mit einer Schneelawinen rechnen? Vorsichtshalber ja, sagen Verwaltunsgjuristen.

Entschädigung
Liegen die Voraussetzungen für eine Schadenersatzforderung dennoch vor, stellt sich die Frage der Höhe der Entschädigung. Sofern Gegenstände durch den Sturz kaputt gegangen sind, kann für sie Geld in Höhe des Zeitwerts verlangt werden. Das Schmerzensgeld richtet sich nach der Art und Schwere der erlittenen Verletzung – und ist, wie zu erwarten, letztlich Verhandlungssache.

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